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Sätze mit dem göttlichen Worte übereinstimmend und
dem Evangelium gemäß erfunden würden. Wo aber
Jemand aus heiliger Schrift beweisen könne, daß einer
oder der andere dieser Punkte ihrem Inhalte nach nicht
in der Schrift begründet wären: so möchte er ohne
Schmähung und Bitterkeit, vielmehr mit christlichen,
freundlichen und bescheidenen Worten es anzeigen, daß
es alle Zuhörer deutlich vernehmen könnten. Dies sollte
jedem unter Zusicherung eines freien und sicheren Ge
leites gestattet sein.
Sodann trat Lambert von Avignon auf, las jene
Sätze vor, erläuterte sie und erklärte sich bereit, sich
nach dem Worte Gottes weisen zu lassen. Diese Vor
lesung dauerte mehrere Stunden. Am Nachmittage ver
deutschte Adam Krafft nochmals alle Hauptpunkte, zeigte
deren Uebereinstimmung mit der Bibel und forderte
Jedermann auf, was ihm mit dein Evangelium nicht
zuträglich scheine, anzudeuten, da er sowohl als Lam
bert überzeugt seien, daß in diesen Punkten der ganzen
christlichen Kirche einhelliger Verstand und Meinung liege,
so daß kein Christ anders glauben könne oder möge.
Alle schwiegen hierauf still; nur der Guardian der
Franziskaner, Nicolaus Ferber, stand auf und bat mit
gebeugtem Haupte und niedergeschlagenen Augen den
Landgrafen, daß es ihm gestattet sein möchte, am fol
genden Tage seine Meinung vorzubringen. Als ihm
dies gestattet und am andern Morgen Alle sich wieder
in der Pfarrkirche versammelt hatten, wiederholte Lam
bert seine Sätze und forderte den Guardian insbesondere
auf, seine Einwürfe vorzutragen, wie sich derselbe denn
auch zuvor bei vielen Prälaten und Aebten gerühmt
hatte, die Artikel aus dem Augustinus und den Schriften
anderer Kirchenväter genugsam widerlegen zu wollen.