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Simbsen, Totenfest, den 20. XI.38.
Mein geliebtes Mutti lein!
Heut zum Totensonntag will ich Dir schnell recht herzliche
Grüße senden. Meine Gedanken sind dauernd bei Dir und um Euch
Lieben in Detmold! Ich komme soeben mit Friedei aus der Kirche
in Rostersdorf, wo es sehr feierlich und stimmungsvoll war. So
eine alte Landkirche hat doch etwas unaussprechlich Poesievolles.
Es war für mich dieser Gottesdienst ein wirkliches Erlebnis.
Weißt Du noch, in Rostersdorf hielt ich meine erste Predigt. Ich
glaube, es war der 1. Advent. Was liegt seither alles dazwischen!
Gestern war in Breslau herrliches Wetter. Ich startete um 1/2
9 Uhr zum Höhenflug, war um 9 Uhr glücklich auf 4500 m gestiegen,
und nun hieß es, 70 Minuten in dieser Höhe fliegen. Es waren wohl
20^ Kälte dort oben. Trotz Pelzkombination und Handschuhen fing
ich sehr an zu frieren, merkwürdigerweise am meisten an den Fin
gern. An der rechten Hand hielt ich es nicht mehr aus; der Ring
finger war schließlich wie abgestorben, ganz gefühllos. Ich
schlug und klopfte so gut ich konnte. Endlich kam wieder Ge
fühl hinein. Klamt erzählte mir, daß dies von den eng anlie
genden Ringen käme, die das Blut absperrten und außerdem Wärme
ableiteten und Kälte zuführten. Also bei der Fliegerei soll man
keine Ringe tragen, was sagst Du dazu?
Ich flog erst zum Zobten, dann über den Glatzer Kessel - Ott-
machau - Staubecken und dann ostwärts an die Oder, kam aber o-
berhalb von Oppeln heraus, da ich keine Karte bei mir hatte.
Herrlich war die Sicht; es ist unbeschreiblich schön, in sol
cher Höhe zu fliegen. Man kann das nur erleben! Dann nahm ich
etwas Gas weg und ging im langsamen Gleitflug über Oppeln -
Brieg - Ohlau - Breslau. Dann im steilen Flug herunter, hatte
aber im letzten Augenblick zu wenig Fahrt, so daß die Maschine
beinahe abgerutscht wäre. Dementsprechend war auch die Landung
nicht sehr schön. -
Doch das soll öfters Vorkommen nach dem Höhenflug, weil man
da noch sehr benommen ist. Na gut, es hat alles geklappt. Nun