Wohl au, den 24.XI. 1928 IO 00 .
Mein innig geliebtes Kindlein!
Zu Dir mein Seelchen hab ich groß Verlangen und stille Sehn
sucht. Das einzigste, was mir geblieben, ist unser Hannsi, mit
dem ich am Abend, wenn er im Bettlein liegt, so recht von Her
zen unser Mutti lein der Gnade Gottes empfehle und befehle. Wir
Menschen können ja doch fast nichts zu unserem Wohlergehen tun,
nur unser Vater im Himmel wird Dich in seiner großen Liebe für
uns behüten. Das ist mein einzigster Trost und aber auch der
stärkste.
So oft haben Dich meine Gedanken schon auf der Reise hin und
her verfolgt. Wo magst du sein? Wie leicht können alle Pläne
schon wieder umgestoßen sein, oder es blieb so, und Du bist jetzt
in Lemgo! Uns geht es allen gesundheitlich recht gut, das ist
ja die Hauptsache.
Diese Tage benutze ich nun, um noch ordentlich zu arbeiten,
doch glaube ich es ja selber, daß meine Kenntnisse noch nicht
ausreichen werden. Ich nahm am Donnerstag Abend nochmals Gele-
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genheit,, mit Prof. Steuernagel ausführlich zu sprechen. Er
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Prof, für Altes Testament