Full text: 60 Jahre Melsunger medizinische Mitteilungen

gleichgültig. Ob der Mensch, der mit diesem Faden genäht wird, 
an Wundstarrkrampf oder Blutvergiftung eingeht, ist für ihn ganz 
ohne Interesse. Der Arzt mag ja zusehen, wie er es fertig bringt, 
dem Faden diese gefährlichen Keime zu nehmen. 
Die so hergestellte Waare ist das sogenannte Rohkatgut, also 
ein gedrehter Darmfaden, der ohne die Verantwortung irgend einer 
massgebenden oder sachverständigen Person gedreht ist. 
Nach Kuhn'scheu Vorschriften ist das Rohkatgut zum medi 
zinischen Gebrauch vollständig zu verwerfen und je weiter wir in 
wissenschaftlicher Hinsicht in die Katgutfrage eindringen, um so 
mehr muss man diese Forderung Kühnes unterstreichen. 
Hier ist auch die Stelle, wo Kuhn’s neuer Gedanke einsetzt. 
Der Darm muss vom Hammel nicht nur sauber entnommen, vor 
äusseren Verunreinigungen geschützt, sondern er muss auch sofort 
seines Inhaltes entleert und auch weiterhin hygienisch behandelt 
werden. Dazu gehört eine ausgiebige Spülung mit Wasser, um 
auch die kleinsten Kotteile zu entfernen. Diese Forderung lässt 
sich aber nur dann erreichen, wenn das Wasser die Innenwände 
des Darmes ausgiebig bespülen kann. 
Weil eine Umwendung des Hammeldarmes, so, dass die innere 
Wand nach aussen kommt, wie es bei der Reinigung anderer Därme 
geschieht, beim Hammeldarm ausgeschlossen ist, wird der Darm der 
Länge nach in zwei Teile zerlegt. Wir haben es in der Fabrikation 
daher nicht mehr mit einer Röhre, sondern mit zwei Bändern zu 
tun. Die einzelnen Darmteile werden dann mit der Schleimmaschine 
bearbeitet. Hierbei wird die Schleimhaut mit stumpfen Messern 
abgekratzt. Dann folgt die Behandlung der Darmteile mit mehreren 
Chemikalien, bis die Fäden schliesslich in abgemessenen Längen in 
eine Jodlösung gelangen, worin sie gegerbt und dann auch gedreht 
werden. 
Während der Friedeusjahre waren auf grossen deutschen 
Schlachthöfen in den Darmyerarbeitungs-Anstalten besondere Vor 
richtungen getroffen, die Harameldärrae für das Kuhn’sche Katgut 
hygienisch zu bearbeiten. Die deutsche Produktion an Hammel 
darm reichte aber bald bei weitem nicht mehr aus und man ging 
dazu über, auch von den Schlachthöfen anderer Kulturstaaten, 
Schweiz, Frankreich, England einwandsfreien Darm zu beziehen. 
Der Weltkrieg hat den Handel mit diesen Ländern natürlich 
unterbunden und die Industrie ist genötigt, Material aus Bulgarien, 
der europäischen und asiatischen Türkei zu verarbeiten. Die Industrie 
war also jetzt vor neue Aufgaben gestellt worden.
	        
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