Full text: 60 Jahre Melsunger medizinische Mitteilungen

bei uns gewesen. Kriegssteuern wurden von dem Franzmann mit 
unerhörter Härte erhoben, bis die Kassen des Staates, der Städte 
und der Bürger geleert waren. Wie tief diese Kriegssteuerlasten 
*uf dem deutschen Volke ruhten, Jahrzehnte, ja mehr als ein Jahr 
hundert lang, geht daraus hervor, dass z. B. die Stadt Königsberg 
i. Pr. 1912 die Kriegsschuld noch nicht abgetragen hatte, die 1807 
»ufgenommen werden musste, um die Einäscherung der Stadt zu 
verhüten und den Forderungen der Franzosen gerecht zu werden. 
Die Schuld wurde 1913 auf Staatsrechnung übernommen. 
Die jungen und alten Männer wurden 1807 ausgehoben, um 
in französischen Regimentern Kriegsdienste zu leisten gegen England 
und Russland. Hunderttausende kehrten nicht wieder und mussten 
elend auf russischen Eisfeldern verhungern und erfrieren. Das war 
französische Herrschaft, nach der sich mancher heute sehnt in 
törichter Verblendung und Unkenntnis. Und als der Hesse endlich 
wieder sein rot-weisses Banner über dem alten Landgrafenschloss 
— heute steht der Justizpalast dort — aufsteigen sah (1813), war 
die ganze Bevölkerung an den Bettelstab gekommen. Unsere Ahnen 
haben damals hungern und darben müssen, es gab keine Kleidung 
und keine Arbeit — nur Armut und Elend. 
Auch der Familie Braun war 1762 alles genommen. Der Hof 
sattlermeister Johannes Braun, ein wohlhabender Bürger Cassels, 
mit seinem reichen Kindersegen war gänzlich verarmt. Der Vater 
war alt und grau, und die Mutter krank und elend. Den Eltern 
blutete das Herz, wenn sie die Kinder hungrig in das Bett schicken 
mussten und ihnen statt Brot nur Worte bieten konnten. Alte 
schriftliche Nachrichten berichten uns, wie .Johannes Braun um 
Arbeit gebettelt. So arm war das Land, dass selbst der Landgraf 
nicht helfen, keine Arbeit vergeben konnte. Das Herz zittert jedem, 
wenn er solches in den alten Akten liest. Und solche Jahre stehen 
wieder vor der Tür. 
In jener furchtbaren Zeit übernahm der zweitjüngste Sohn des 
Johannes Braun, Ludwig Theodor, mit starker Hand die Leitung 
der Geschicke seiner Geschwister. Seinem Bruder Friedrich August 
Braun konnte er sogar in späteren Jahren, wie erwähnt, die Esch- 
weger Apotheke kaufen, seinem Sohn Heinrich August Braun aber 
die Löwen-Apotheke in Cassel und seinem jüngsten Sohn Julius 
Wilhelm Braun die BrambeePsche Apotheke in Melsungen. 
Ludwig Theodor Brauns Grabstätte auf dem heutigen Luther 
platz in Cassel ist noch erhalten. Sie wird immer noch geschmückt 
in Erinnerung daran, dass er der Wohltäter der ganzen Familie 
gewesen. Die Alten zeigen den Jungen gern die Ruhestätte eines 
Mannes, der allen als leuchtendes Vorbild inniger Eltern- und
	        
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