Full text: Handbuch des Kreises Melsungen (Jahrgang 18.1937)

Teufel vom Lotterberg nach Breitenau werfen wollte. 
Zwei Schanzen flankieren im N. des Berges 
Karthause und Mittelhof: ihre Urzelle war viel 
leicht auch ein vorgeschichtliches Erdwerk in Verbin 
dung mit einem das Tal abriegelnden Schlag- und 
Wehrgraben. An Stelle der Karthause bestand 
1223—1438 das K l o st e r Eppenberg, von 
Ahnaberger Nonnen aus Kassel besiedelt. Sein Ver 
fall veranlaßte Landgraf Ludwig, die Stätte nach 
Vertreibung der Nonnen 1440 den Karthäusern zu 
übergeben, die es St. Johannis weihten. Aus der 
nahen Dorfstelle W i m m e n h a u s e n, später drei 
Höfen Weymenhausen am bereits erwähnten Bal- 
häusergraben, erstand der M i t t e l h o f. Der Bel 
wurde als chattische Höhenstätte bereits erwähnt. Ein 
Helweg 
ging von der B e r g t a n z st ä t t e, dem Baals, aus, 
die südöstlich der Kuppe des Heiligenberges heute 
noch Bergfesten dient und der Tanzplatz heißt. Es 
gibt ein Projekt, ihn als „Thingplatz" auszubauen. 
Am Helweg liegen wieder Hügelgräber. Die Höhe 
303 (Schnittpunkt Helweg mit heutiger Straße Heß 
lar—Beuern) scheint ein alter Kreuzweg zu sein 
und ursprünglich den heute auf den angrenzenden 
Forstort verlagerten Namen Kissecke (wohl:Kiß- 
Egge, im Volksmund „Küß-Ecke", Distr. 45/44) 
zu tragen; sie liegt genau östlich vom Bel. Der Hel- 
bzw. Renweg fällt in seiner über den Heiligenberg 
führenden Teilstrecke mit dem alten Sälzerweg 
zusammen, der von den Sooden kommt und über 
den Tanzplatz und den R e n t r i e s ch zur Edder- 
furt bei Gensungen, dann über Felsberg und durch 
die Katzenbach (Kaltenbach) nach Fritzlar führt. 
Die Forstorte Kissecke und Finstere Buchen 
(Distr. 38), sowie Schergersloch (Distr. 42/41) 
leiten über zum 
Markwald, 
dessen Namensbenennung und Kultur im allgemei 
nen eine erheblich spätere ist, wie auch die des 
Sundhofes bei Beuern. Silva Marciana heißt 
Grenzwald, das Wort „Gränze" selbst kommt erst 
im 16. Jahrhundert auf. Als Sturmius 744—747, 
nach Norden vordringend, im Fulder Land begann, 
die Volksmarken aufzuteilen für Kloster und 
König (Kirche und Staat), sank germanische Frei 
heit in den Staub. Bon Berg zu Berg, von Fluß 
zu Fluß, versteinten seine Boten den neuen „Besitz": 
die Feuerstätten auf den Höhen wurden zerstört, die 
Heiligen Haine verwüstet. Um diese Zeit, vielleicht 
schon um 680, mögen Sendboten Kilians 
in diesen Wäldern und auf dem Heiligen Berge der 
Chatten die neue Lehre verkündet und eine Holz- 
Kapelle errichtet haben ...! In den Markwald 
eingebettet lag damals wie heute noch die 
Gotteskammer, 
deren Kultur wiederum eine wesentlich ältere, wohl 
steinzeitliche ist. Gehört der Markwald mit der 
Gotteskammer h'eute noch der M a r k w a l d - G e - 
nossenschaft Felsberg, so haben wir in 
ihnen zugleich aus weite Strecken das Urbild 
hessischen Waldes vor uns: verständnisvoll 
gepflegten Mischbestand mit reichlichem Unterholz 
unter Zurückdrängung der landfremden Fichte bzw. 
des sichtenartigen Stangenholzes, dessen vorzugs 
weise Aufforstung unser Landschaftsbild entstellt, den 
heimatlichen Boden und seine Wasserwirtschaft, sowie 
die bodenständige Flora schwer schädigt und un 
seren herrlichen deutschen Wald zur H o l z f a b r i k 
erniedrigt! Alte Leute sagen, der Wald heiße Got 
teskammer, weil Gott dort alles Holz wachsen ließe. 
Wir aber wissen heute, was noch vor einem Jahr 
Vermutung war, daß wir es mit einem Holle- 
Heiligtum unserer Vorfahren, mit einer Frau 
Gode-Kammer, zu tun haben. Die Alten wissen noch 
von der Weißen Frau zu erzählen, die man sehen 
kann, wenn sie die Flachsknoten ordnet; es geht 
die Mär um von dem Schimmelreiter ohne Kopf! 
Eine Höhle (Kammer) ist unbekannt, nur ein ver 
lassenes „Bergwerk". Eine Quelle am S ch e n n o l s- 
graben (auch: Schennotsgraben und scherzhaft: 
Schwerenotsgraben) — in welchem offenbar ent 
stellten Namen das hohl oder holle stecken könnte 
und dessen erste Silbe vielleicht dem Stammwort 
von Gensungen entspricht, da ich auch die Aussprache 
Jennolsgraben hörte — bei Kilometer 63,00 der 
Autobahnlinie und eine weitere am Langen Weg 
zum Falkenkopf (mythologische Deutung!) sind be 
kannt. Bei Kilometer 63,2 4- 50 liegt östlich der 
Fahrbahn in ungefähr 30 Meter Entfernung ein 
kleines Hügelgrab, dahinter noch mehrere, auch west 
lich 63,2 -j- 30 und zwischen Kilometer 63,60 und 
63,70 drei größere Hügelgräber, teilweise mit 15 
Meter Durchmesser: eines durchschnitten, die anderen 
wohl unberührt. Sie liegen direkt an der Auto- 
bayn, dahinter noch mehr als 10 weitere. Auch hier 
dürste es sich um ein größeres Gräberfeld 
handeln. Zwischen Distrikten 25 24. über der Höhe 
328,4, liegt das erste auffällige Achsenkreuz in einer 
Forstflur Bllhr, in der natürlich wie in Beuern wie 
der das uralte bur steckt. Bllhr scheint d i e 
ältere Wohnsiedlung der Holle-Leute zu sein, 
das heutige Beuern die jüngere, aber auch 
schon vor 800 gegründete. Sowohl dieser Forstort 
gehört zur Gotteskammer, wie auch ein zweites 
derartiges Achsenkreuz über Distrikten 14/20 und 
dem Schennolsgraben, bei Kilometer 63,00 der Auto 
bahn. Die Stätte ist besonders beachtlich, weil hier 
die Hügelgräber liegen, die alt-heilige Quelle bzw. 
das Holle-Heiligtum (und eine Höhle?) nicht fern 
sein werden. Beuerholz und Hilgershäuser Wald 
gehören zum Markwald und von der alten Mal 
stätte Melsungen aus führen drei alte Wege zu 
den erwähnten Stätten der Gotteskammer, nach 
Beuern und Hilgershausen. Der nördliche heißt Beu- 
rischer Weg, der mittlere über Hünenstein und 
Brand aber Beursgrund bzw. Hilgershäuser 
Höhle (!), der südliche schließlich durch die Oberste 
Pfingstgemeinde und Bühr der Hilgershäuser Weg. 
Unsere Freunde wissen diese Namen zu deuten; sie 
künden Bände unserer Urgeschichte! Immer wieder 
verweise ich auf die auffallende Parallele mit den 
gleichnamigen Stätten der Hollekultur bei dem an 
deren Hilgershausen und Kammerbach am W e i ß - 
n e r. Der Gottesborn auf dem Meißner ist ein 
Godenborn, wie die Gotteskammer eine Goden-Kam- 
mer, eine zweite „Hilgershäuser Höhle" barg! Eine 
ganze Reihe Gräben und Wälle in ihr sind noch 
ungedeutet; der Waldbezirk und insbesondere Forst 
ort Bühr bedürfen eingehender Durchforschung. Wer 
darüber hinaus deutschen Wald in alter und 
unberührter Schönheit kennen lernen will, ummobeu 
von deutscher Sage und angefüllt mit zahlreichen 
Ueberlieferungen ältester Väterkultur, der besuche 
dieGotteskammer!
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.