Weilburg gesandt hatte, so erhielt er auch noch den
Luxemburgischen Orden der Eichenkrone, während
seine Tochter Else Karthaus dem Prinzen am Bahn
hof mit Ansprache einen Blumenstrauß überreichte
und eine Brillantenbrosche erhielt. Die Musik stell
ten das 2. Kurh. Husaren-Regt. Nr. 14 Kassel
und das Großherzoglich Hessische Leibgarde-Regt.
Nr. 115 in Darmstadt. Die wunderschöne Lage
der von der Lahn eng umflossenen Stadt, um das
großartig die Landschaft beherrschende alte herzog-
lich-nussauische Residenzschloß gruppiert, bot einen
prächtigen Rahmen für die Feier, deren Inhalt die
Uebertragung der deutschen Königskrone durch den
dort residierenden, verwundeten und dem Ende
nahen König Konrad von Franken, gest. 23. 12.
918, und Ueberbringung durch seinen Bruder Mar
graf Eberhard von Franken an den Sachsenherzog
Heinrich den Finkler und Städtebauer, war. Es
wurde ergreifend gut gespielt und habe ich damals
im Melsunger Kreisblatt ausführlich darüber be
richtet unter Hinzufügung einer von mir verfaßten
Strophe wie folgt:
„Zu Weilburg weilt ich in der Burg,
zum 1000-Iahresfeste.
Wo Frankenkönig Konrad einst
sann für des Reiches Beste.
Ein Zollernfprößling grüßet heut
des alten Reiches Manen,
vorbei die Zeit, der Deutschen Leid,
erfüllt des Kaisers Ahnen."
Anschließend konnte ich noch am 20. 8. 06 die stolze
Burg Cochem und Burg Landshut bei Bernkastel,
beide in höchst reizvoller Berglage, inmitten aus
gedehnter Weinberge über der Mosel, besuchen, wo
ich mit Rektor Karl Bloser-Elberfeld zusammen
kam, von dem ich eine Karte „an den frohen Wan
dersmann und Tischgenossen" erhielt. Pfarrer Biel
hier war damals noch Oberprimaner in Weilburg
und Stud.-Rat Roßbach Gymnasiallehrer (einst hier).
Hier in Melsungen widmete ich mich mit großem
Eifer der ebenso interessanten wie vielseitigen Ver
waltungstätigkeit, die sich ja auf fast alle Gebiete
des Lebens erstreckte, wie der Eingeweihte ja selbst
verständlich weiß, doch der Außenstehende oft nicht
ganz erkennt, denn eine Stadt ist ja genau genom
men ein kleiner Staat, der hier in jener Zeit in der
seit 1897 gültigen Städteordnung für Hessen-Nassau
eine eigene Verfassung hatte, die Selbstverwaltung
gewährleistete, natürlich aber das Stadtgebiet der
Aufsicht des Staates und der Kgl. Regierung unter
stellte. Wurde uns doch auch auf der Berwaltungs-
akademie verkündet, „die Stadt ist nicht ein Teil
des Staates, sondern sie ist ihm wesensgleich".
Dieser lapidare Satz umreißt leicht verständlich die
Sachlage. Ich gebe hier eine Knappe Uebersicht der
Berwaltungszweige, beginnend mit dem Eintritt ins
Leben. Wurde ein Kind geboren, so erfolgte An
meldung auf dem Standesamt, kam es zur Stadt
schule, die s. Zt. in erweitertem Umfange eine
städtische Einrichtung war, so wirkte die Stadt
schuldeputation. deren Vorsitzender ich als Bürger
meister war und der der erste ev. Geistliche, Me
tropolitan Fuldner, bei dem ich als Quintaner La
tein lernte, als Stadtschulinspizient angehörte, mit,
auch wurden damals alle Lehrerstellen nach Aus
schreibung durch den Bürgermeister ausschließlich
von ihr besetzt und erfolgte nur staatliche Einfüh
rung, während die Auswahl unter den Bewerbern
nur stadtseitig erfolgte, bis später durch Zahlung
von Staatszuschllssen die Regierung sich die 3.
Stelle zur Besetzung vorbehielt wenn 2 die Stadt
besetzte. Wir kamen schließlich auf 15 Lehrer — und
1 techn. Lehrerinstelie. Nach Schulentlassung er
folgte Eintritt in die städt. gewerbliche und kauf
männische Fortbildungsschule und Studierende konn
ten für städt. Stiftungsstipendien vorgeschlagen wer
den. Verheiratung erfolgte auch rechtskräftig auf
dem Standesamt im Rathaus mit anschließend kirch
licher Trauung. Bauten wurden bei der Stadt
als Baupolizei beantragt und vom Landratsamt
nach Prüfung durch das Hochbauamt genehmigt.
Die Fuldauferbauten gingen zu Lasten der Stadt
und wurden zu meiner Zeit mit über 5000 Mark
nach lOjähr. Durchschnitt abgelöst. Das umfang
reiche Gebiet der Polizei war auch zu einem gro
ßen Teil städtisch, ebenso das Fürsorgeamt, wobei
der mindestens 2jährige Unterstützungswohnsitz für
Tragung der Kosten entscheidend war; und war das
Landratsamt nächste Instanz in Polizeisachen, wäh
rend der Kgl. Regierungspräsident die vorgesetzte
Aufsichtsbehörde der Stadt war. Steuerlich hatte
die Stadt die Poreinschätzungskommission und er
folgte nach Steuererklärung Einschätzung durch die
staatliche Beranlagungskommission. Außerdem be
stand seit 1838 die städt. Sparkasse für Geldanlage
und Ausleihung. ihre Anlagen beliefen sich auf etwa
23/4 Millionen Mark im ersten Jahre meiner Amts
zeit, steigerten sich aber in 12 Jahren auf 9—10
Millionen Mark. Neben den übertragenen staat
lichen Aufgaben hatte die Stadt ihre eigenen Be
sitzungen. das Kammervermögen zu verwalten, das
aus Gebäuden, Ländereien und besonders dem
Stadtwald bestand, von den rund 1650 Hektar des
Stadtgebiets waren einschließlich Wegen rund 710
Hektar städtisch. Durch den Bau der städt. Elek-
trizi ätsanlage bahnte sich eine beachtensiverte Erwei
terung des Stadtbesitzes an, der sich bis dahin über
wiegend auf den Stadtwald (rund 557 Hektar) be
zog, dessen Bewirtschaftung, unter technischer Be
ratung, Aufstellung der Kultur- und Hauungspläne
und Kontrolle der Kgl. Oberförsterei nach Zustim
mung des Magistrats, seit 1871, nach dem Ab
leben des einstigen Stadtförsters Philipp Stahl, geb.
2. 7. 1811, gest. 11. 5. 1871 (Vaters der Frau Anna
Figge geb. Stahl hier), dessen Bild ich beifüge, durch
den Stadtförster Johann Werner Leimbach aus
Grebenau, dessen Bild auf einem Gruppenbild im
Kreishandbuch 1933 ist, ausgeführt wurde. Stahl
bepflanzte um 1850 den Lindenberg, der 1823 noch
eine Grashalde mit wilden Heckenrosen war und
nur die alte inzwischen vom Sturm gebrochene Linde
(das Lingenbeemchen) zeigte, wo wir Stahl 1911
zum 100. Geburtstag einen Denkstein setzten, den
Leimbach im Stadtwald als Glaswacke (Quarzit-
sandstein- fand. Neben der Linde war 1845'49 zum
Eisenbahnviaduktbau ein Steinbruch (Wolfsschlucht)
und bildet der lange untere Bergvorsprung die an
geschüttete Schutthalde, die Wolfsschlucht wurde
Scheibenstand, denn damals bestand hier die Bllr-
gergarde und Forstlehranstalt. Von 1850 51 war der
vorherige Erbleihbeständer der Kurfürstlichen Woq-
mühle Wilhelm Friedrich Schreiber, geb. 20. 5.
1790, gest. 16. 2. 1854 hier, Bürgermeister, nach
Baumann, der seit 1835—1850 und von 1852—75
regierte. Hierbei erwähne ich einen, mir von meinem
wertgeschätzten Magistratskollegen Färbermeister
Heinrich Mardorf I. Brückenstraße, später Roten-