knisterte es, Risse, haarscharf, zeigten
sich — es bebte der Damm, — und jetzt
schossen die Wasser durch. Ein einziger
wilder Schrei aus hundert Kehlen!
O Seede, was warst Du klug!
Krach und Krach! Es flogen Steine,
zehn, zwanzig, hundert mächtige Brocken
in die Bresche und dumpf polterten die
Sandsäcke nach ... Die Wasser stutzten,
stauten sich, fluteten zurück und kamen
wieder . . . Was, Ihr Menschlein wollt
mit einer Handvoll Steine und einem
Berglein Sand ein wildgepeitschtes,
sturmaufgewühltes Meer im Siegeslauf
hemmen? Größenwahnsinnige Zwerge!
Ha, Meer! Flut! Mit sieghaftem Ge
brüll, mit weißflammender Gischt stürmt
es weiter und reißt Sand und Steine
mit fort, packt die am Rande der Damm
wunde stehenden Menschlein mit ein und
schluckt sie mit hinunter, und nun gur
gelt es in den Straßen. Die ersten
Hütten stehen im Nu unter Wasser...
Ihre Einwohner sind längst fort, das
Unheil ahnend. . . Und die Wellen
rasen weiter und mit ihnen die Mannen
vom Damm um die Wette, heim, um zu
retten, was zu retten ist. . . Und da
zwischen heulen die Kirchenglocken und
künden in die Lande von des Wassers
grausiger Tat . . . Und Seede stürmt
mit ins Dorf. .. Sein Haus, droben
am Hügel, ist sicher, aber helfen will er,
wo seine Hand gebraucht werden kann.
Besonders ein Haus am Dammwege
sucht er, dort zu helfen, das Haus, in
dem Inge Jasky, jetzt Frau Rasmussen.
wohnt. Da ist es schon.
Die Tür springt jäh auf und der
junge Rasmussen stürzt heraus. Seine
schwächliche Gestalt vermag aber dem
Drucke der spülenden Wasser nicht zu
widerstehen und die Wogen werfen ihn
sofort an den Zaun. Und Seede sieht
es, und ein häßlicher, harter Gedanke schießt durch sein
Hirn... „Wenn er jetzt ersöffe, der Rasmussen... wenn
du Inge rettetest, dann vielleicht..."
Aber schon drückte er den Teufel nieder, der ihn
zum Schurken machen will. Und er faßt des jungen
Menschen Arm und zerrt ihn ins Haus zurück. „Blei
ben Sie hier, ich komme wieder!" schreit er ihn an
und dann faßt er Inge, die, wenig bekleidet, mit zit
ternden Knien vor ihm steht. Er hebt sie hoch und trägt
sie auf seinen starken Armen aus dem Hause. Bis an
die Brust spülen ihm schon die Wasser und Inges Füße
schleifen durchs Naß. Er trägt sie fort. Wulf Rasmussen
schreit ihnen nach, aber er achtet nicht darauf. Und als
sie endlich an höhergelegene Straßen kommen und die
Wucht der Wellen sich mindert, da setzt er sie nieder.
„Geh' in mein Haus, Inge, ich bring' Dir den Mann!"
verspricht er ihr noch, dann kehrt er in die wühlenden
Wasser zurück.
Ueberall begegnen ihm fliehende, wimmernde,
jammernde Menschen und allem rief er zu: „Geht in
mein Haus, da seid Ihr geborgen." Und er kommt an
Hütten, da sitzen sie auf den Dächern des schon wan
kenden Hauses, Weiber und Kinder, und flehen und
betteln, sie herauszuholen und zu retten. Und er ge
denkt des harrenden Wulf Rasmussen, aber er kann
3n die Schwemme
Bronze von Prof. Rob. Pötzelberger, Stuttgart.
doch an flehenden Weibern und Kindern nicht vor
übergehen. Und so holt er sie, halb erschöpft und von
der eisigen Kälte halb erstarrt, herab und schafft sie in
die höher gelegenen Straßen.
Und wieder gedenkt er des harrenden Wulf Ras
mussen und wieder sitzt ihm der Teufel in den Ohren,
der flüstert: „Laß ihn ersaufen, dann ist sie Dein,
die schöne Inge!"
Aber er lacht grell auf und ruft: „Daß ich ein
Schuft würde!" und abermals steigt er in die gisch
tenden Wasser, an den Mauern klammert er sich da
hin. Endlich ist er an Wulfs Haus. Da hängt der
Mensch geduldig am Gartenzaune und wartet ver
trauensselig auf seinen Retter. Und als ihn der starke
Seed packt und fortschafft, sagt er: „Ich wußte, daß
Sie kämen, Herr Bahlsen. Meine Frau hat mir zu oft
von Ihnen erzählt, wie gütig Sie seien." Da entwich
der Teufel aus Seedes Seele' und er war wieder froh
und stützte den Geretteten, bis er ihn geborgen wähnte
und holte dann noch vom Dache eines Hauses ein altes
Mütterchen, das man in dieser wilden, grausigen
Nacht vergessen hatte und das sich schon die Stimme
versieht und verschrien hatte, und als er nun selbst an
sein Haus auf der Höhe kam, war das zum Asyl ge
worden. Und er suchte Inge und ihren Mann. Sie