kein Dummchen! Was jammerst Du denn, wo die
Sache mit Hans und Dir einen so guten Anfang qe-
nommen hat."
„Guten Ansang — sagst Du? Das verstehe ich
nicht."
„Du wirst es bald verstehen und sehen, daß ich
Recht habe. In der Osternacht ist schon manche Liebe,
die jahrelang als tot und vergraben galt, oft auf eigen
tümliche Weise zum Leben auferstanden."
Kurze Zeit darauf ist Jettka umgekleidet und geht
dem Gehöfte zu, das als Sammelpunkt für die jungen
Spreewälderinnen bestimmt ist. Von Paula erblickt' sie
keine Spur. Aus der
Ferne vom Thurm her
hallt feierlich das Mitter
nachtgeläut, das den Be
ginn des Ostertages ver
kündet. Nun lassen die
der Spinnte angehörigen
Mädchen, die während
des Winters durch die
Kantorka einstudierten
Osterchoräle erklingen.
So schreiten sie die Wege
entlang und steigen über
die „Bänke", gewöhnlich
vor dem Blockhause Halt
machend, wo eine Sänge
rin wohnt.
Im Fluge enteilen
die Stunden. Ein unbe
stimmtes Zwielicht ver
kündet den anbrechenden
Oftermorgen. Da sind
die singenden Mädchen
bei dem ansehnlichen
Kilke'schen Gehöfte ange
langt. Wirt und Wirtin
haben sich vor der Haus
tür aufgestellt und laden
die Sängerinnen zu
einem Imbiß ein.
Mari nimmt im hell
erleuchteten, mit frischen
Veichensträußchen ge
schmückten Zimmer an
der weißgedeckten Tafel
Platz. Paula eilt ge
schäftig mit Kaffee und
Kuchen hin und her und
bedient die Gäste, die
sich bald in lebhafter Unterhaltung befinden. Sie
flüstert Jettka zu: „Das gab ja einen Hauptspaß
beim Wasserholen. Ich will Dir nachher erzählen."
„Ich mag gar nichts hören. Ich habe genug ge
sehen", gibt Jettka barich und finster zur Antwort.
Paula ist fassungslos, sie versteht das Benehmen der
Freundin nicht und geht weiter.
Da öffnet sich die Zimmertür, und Hans, geleitet
vom Wirte, betritt den Raum. „Hier bringe ich einen
lieben, seltenen Gast", wendet sich der Wirt an die An
wesenden.
Niemand ist mehr überrascht und verlegen als
Jettka. Verstohlen wirft sie einen Blick auf den An
kömmling und freut sich, daß er ein so hübscher, statt
licher Bursche geworden ist. Als Hans die einzelnen
bekannten Mädchen mit Handschlag begrüßt und zu
seiner Jugendfreundin kommt, erwidert diese seinen
Händedruck nur zögernd und schenkt ihm keinen Blick,
ein Vorgang, der besonders Paula nicht entgeht.
Als Hans eine Stärkung an der Tafel eingenom
men, winkt man ihn nach der Küche. Wirt, Wirtin
und Burschen stehen geheimnisvoll lächelnd vor einem
Korbe buntgefärbter Ostereier, die unter die einzelnen
Sängerinnen verteilt werden sollen. Die jungen Män
ner, darunter heimliche Verehrer Paulas, bitten den
Gast, auf eins der Eier einkritzeln zu wollen: „Der
Schönsten!" und dieses Ei dem Mädchen zu überreichen,
welchem er den Preis der Schönheit zuerkennt. Hans
schüttelt bedenklich den Kopf. „Das ist ein gefährliches
Beginnen. Da stifte ich
nur Unheil. Alle Mäd
chen, mit Ausnahme des
preisgekrönten, werden
mich verdammen." Nach
langem Zureden erklärte
er sich bereit; denn plötz
lich hatte er einen Ent-
schutz gefaßt. Er bittet
außerdem dargereichten
Ei noch um eins für sich
und begibt sich in einen
Nebenraum mit dem
Wunsche, nicht gestört
zu werden. Schließlich
erscheint er im Zimmer
wieder. In einer launi
gen Ansprache an die
Tafelrunde erklärt er,
zumPreisrichterernannt
zu sein, um dem schönsten
der Mädchen das beson
ders gekennzeichnete Ei
auszuhändigen. Eine
bange verlegene Stille
in dem Zimmer. Wer
wird die Ausgezeichnete
sein?
Da verkündet der
Richter: „Paula Kilko
erhält das Ei!" Allseitig
und meist neidlos be
glückwünscht man die
schöne Wirtstochter, auf
der voll Stolz die Augen
der Eltern ruhen. Das
Herz Jettkas aber, es
krampst sich zusammen,
sie trägt ein so schweres
Leid, wie sie es bisher noch nie im Leben empfunden,
muß sie doch annehmen, daß Hans ihre Freundin liebt.
Da verkündigt Schießen und fernes Glockengeläut
den Aufgang der Ostersonne. Die Kantorka ermahnt
zu schnellem Aufbruche. Beim wirren Verlassen des
Zimmers zieht Jettka die Vorsängerin eilig beiseite und
bittet leise um Befreiung vom weiteren Ostersingen, da
sie sich krank und elend fühle. So gelingt es ihr unauf
fällig, den Heimweg antreten zu können.
Während der feurige Sonnenball sich erhebt, stim
men die Sängerinnen das alte kirchliche Jubellied an:
„Christ ist erstanden von der Marter alle". Langsam
vergoldet das aufsteigende Tagesgestirn die erwachende
Frühlingswelt und die festesfrohe Schar der weiter
ziehenden singenden Mädchen.
Nur Jettka sieht und hört nichts von den Wun
dern und Zeichen des erwachenden Lebens. Meint sie
Gstermorgen
(jVe Lerche stieg am Ostermorgen
^ Empor tn's klarste Luftgeblet
Unb schmettert hoch im Blau verborgen
Lin freubig Auferstehungslieb.
Unb wie sie schmetterte, ba klangen
Ls tausenb Stimmen nach im ^elbr
wach auf. bas Alte ist vergangen!
wach auf. bu froh verjüngte Welt!
wacht auf unb rauscht burch's Dal. ihr Bronnen.
Unb lobt ben Herrn mit frohem Schall!
wacht auf im Lrühliugsglanz ber Sonnen.
Ihr grünen Halm' unb Läuber all!
Ahr Veilchen in ben walbesgrünben.
Ihr Primeln weist, ihr Blüten ror.
Ihr sollt es alle mit verkünben:
Die Lieb' ist stärker als ber Tob.
Ihr sollt euch all' bes Heiles freuen.
Das über euch ergossen warb!
Es ist ein inniges Erneuen
Im Bilb bes Frühlings offenbart,
was bürr war. grünt im wehn ber Lüfte,
Jung wirb bas Alte fern unb nah.
Der Göem Gottes sprengt bie Grüfte —
Wacht auf! ber Gstertag ist.ba!
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