schwenkt und sich an dem kleinen Schubfensterchen
im Schankraum für 16 Kreuzer — etwa 25 Psg.
mit vorzüglichem Augustinerbräu füllen läßt. Dann
setzten wir uns zwischen die aus allen einheimischen
Volkskreisen bunt zusammengewürfelten Gäste, die
ihr Radigrün mit Käspapier und Abfällen landes
üblich einfach unter den Tisch warfen und in harm
los fröhlichem Plaudern ihre Maßkrüge leerten nach
dem über der Eingangstür stehenden Spruch:
„Bist Du stuff, geh' in's Stllbl,
Folg dem Ruf. weg ist's Uebel",
und ergötzten uns an dem breitgemütlichen Aus
druck und der sorglos humorvollen, urwüchsigen
Lebensauffassung dieser vergnügten Leute. Hier be
standen die Gäste eben noch aus richtigen Salz
burgern, anders als in München im Hofbräuhaus,
wo man oft vor zahllosen Fremden kaum noch
Einheimische finden kann. Das Salzburger Land,
aus dem noch jetzt vor 200 Fahren unter Erzbischof
Leopold Anton Graf Firmian fast 100 Fahre
nach dem 30jährigen Kriege 30 000 evangelische
Salzburger vertrieben wurden und meist nach Preu-
stm kamen, war noch bis zur Reueinteilung des
Reiches 1802 wegen Abtretung des linken Rhein
ufers an Frankreich ein geistlicher Staat als Fürst-
Erzbistum, weshalb die Stadt Salzburg zahlreiche
prunkvolle Kirchen und Klöster auszuweisen hat,
und nahmen die Fürstbischöfe eine bevorzugte Stelle
unter den Reichsfürsten ein. Nachdem das Land
sogar kurze Zeit nach dem Reichsdeputationshaupt-
ichluß von 1802 bis 1805 Kurfürstentum war, kam
es an Oesterreich, durch Napoleon I. an Bayern
1810, und 1816 wieder an Oesterreich, außer dem
Salzquellen- und Salzbergwerksgebiet von Berchtes
gaden und Reichenhall, das Bayern behielt. Dies
Berchtesgadener Ländchen war das Ziel unseres
nächsten Ausflugs, der uns über das damals
kaiserliche österreichische Schloß Hellbrunn mit schö
nem Park zum Drachenloch am 1975 Meter hohen
schroffen Marmorgebirgsstock Untersberg führte, der
zwischen dem österreichischen Salzburg und Bayern
geteilt wurde, um den Regenten beider Länder An
teile an den kostbaren Marmorbrüchen zu geben, aus
denen die Baustoffe zu den Salzburger Kirchen
bauten geliefert wurden, und woher der kunst
sinnige. bis 1848 regierende (1868 gest.) König Lud-
ivig l. Augustus von Bayern, dessen Biographie
von Sepp (Schaffhausen 1869) ich besitze, der Er
bauer des deutschen Nationaltempels, der wie eine
griechische Akropolis aussehenden 1842 geweihten
„Walhalla" bei Regensburg-Donaustauf, und des
kurz unterhalb des 775 von Herzog Thassilo ge
stifteten Benediktinerklosters Weltenburg errichteten
deutschen Ehrentempels, der 1863 zur 50jährigen
Gedenkfeier von Leipzig geweihten „Befreiungs
halle" bei Kehlheim an der Donau, seine Marmor-
blöcke bezog. Bon da ging es weiter im engen
Kriindchen des Almflüßchens hinauf über Schellen-
berg bis zum Salzbergwerk, nach Berchtesgaden,
diesem Schmuckstück einer kleinen Salinenstadt, mit
ihrem reizend gelegenen kleinen Königsschloß, der
malerischen Gesamtanlage und der wunderschönen
Bergumrahmung mit dem stolzen, schneeverhüllten,
sihroffen 2740 Meter hohen Watzmann als Hinter
grund. Wir wanderten dann in dem engen Felsen
grund an der Königsseeache hinauf zum Königssee,
der in seiner wilden, gewaltigen Bergeinsamkeit
seinesgleichen sucht und in der Romantik seiner
Lage wohl nur mit dem aber viel belebteren, im
Zuge einer Völkerstraße liegenden Urnersee, dem
obersten Teile des Vierwaldstättersees, verglichen
werden kann. Damals (1900) gab es noch keine
Dampfer oder Motorboote auf dem Königssee, und
wir nahmen beim Gasthaus zum Schiffsmeister eines
der schlanken, von einem Steuermann geführten
und zwei kräftigen Frauen in malerischer gestickter,
münzen- und edelweißgezierter Tracht, mit keckem
rundem Hütchen und runden Schielhahnfedern, aus
der nahen Ramsau, geruderten langen Boote zu
einer Fahrt über den 10 Kilometer langen, 2 Kilo
meter breiten See. Um einen kleinen Landvorsprung
herum kamen wir bald zum Malerwinkel, der Name
spricht für sich. wo der Bootsführer einige Pistolen
schüsse löste, die an den teilweise senkrecht aus dem
See aufsteigenden Felswänden ein vielstimmiges
Echo hervorriefen. An dieser Stelle soll ein
Wallfahrerschifflein mit allen Insassen im Sturm
gescheitert und untergegangen sein. Man hat von
da einen überwältigend großartigen Blick fast über
die ganze Länge des Sees, über den von einem
fernen, vom Gletscherwasser des Eisbachs herabge
schwemmten flachen Borland die kleine zwiebelför-
mig behelmte zweitürmige Wallfahrtskapelle Sankt
Bartholomä mit Gasthaus und königlichem Fagd-
schlößchen, die wir dann erreichten, herübergrüßte.
Hier wurde eine Ruder- und Eßpause gemacht und
eine Platte der ganz vorzüglichen den See in gro
ßer Menge belebenden Saiblinge, einer Salmoniden
art, verzehrt. An einem nahen Wildgatter war ein
weißer Hirsch, der mir Zuckerstückchen aus der Hand
nahm, ein Förster, mit dem ich sprach, nutzte das
Gras des Vorlandes persönlich und betreute die
königlichen Forsten und Gemsenreviere des Watz-
' manngebiets. die der große Weidmann Prinzregent
Luitpold von Bayern gern besuchte. Fn dem Gast
haus waren zahlreiche farbige Bilder der größten
in dem See im Lause der Zeiten gefangenen köst
lichen Fische in Lebensgröße an den Wänden auf
gehangen. mit Angaben über Größe und Fangzeit.
Wir besuchten die Kapelle, schrieben uns ins aus
gelegte Fremdenbuch ein und träumten und plau
derten unter den Bäumen vor dem Hause, in diesem
weltabgelegenen, abgesehen von einem Gemsenpfad
über den Gebirgskamm, durch keine Straße, außer
dem Wasserweg über den See mit der Außenwelt
verbundenen märchenhaft schönen, idyllischen Glanz
punkt der bayrischen Alpen, von der bei herrlichstem
Sonnenschein so schön verlaufenen Fahrt. Weiter
ging die Bootsahrt im Angesicht der schroffen Watz-
mannwände, an dessen unteren Hängen Schnee
lawinen uns entgegenleuchteten, dem Süduser des
Königssees entgegen, wo mich die anscheinend ganz
nahen Schneefelder verlockten ein Stück Packschnee
heranzuholen. Fch lief und lief über immer grö
ßeres Felsgeröll, immer steiler bergan, und merkte
erst jetzt, wie sehr die Riesenbergwände und die
klare Luft über die Entfernung getäuscht hatten;
aber ich stieg weiter, schließlich auf allen Vieren, bis
ich den völlig vergletscherten Schnee erreicht hatte,
aber nur mit einem Taschenmesser ein Stück nach
und nach abhauen konnte. Das Herunterkommen
war fast noch schwieriger als der Aufstieg. Fn
großen Sprüngen eilte ich über die gewaltigen mit
allerlei Gestrüpp durchwachsenen Felsbrocken berg
ab und kam schließlich wieder oberhalb unserer
Boothaltestelle, an dem eine mit Alpenblumen über
säte Wiesenhalde durchströmenden in den Königssee