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und sprechen. Der kann mich beten lehren. (Er stößt die
Tür auf und ruft hinein.) Heda, Mann Gottes! Ihr
betet ja wie Israel am Iordanfluß, bis ihm die Morgen
röt' Erfüllung zugesagt. Entschuldigt, wenn ich Euch in
Andacht und Betrachtung störe!
Stimme: Tretet ein! Ihr stört mich nicht.
Eberhard: Für mich mag sich's geziemen, Euch einzuladen.
Ich bitt' Euch, tretet ein bei mir!
Luther (tritt auf): Glkt denn — da bin ich, Ritter!
Eberhard (begrüßt ihn mit Handdruck): Erfreut, solch tapferen
Beter zu begrüßen in meinem Kämmerlein! Sonst ist's
nit meine Art, zu horchen an der Tür. Doch heut habt
Ihr ohn' Euer Wissen den allereifrigsten Hörer gehabt.
Und kräftig hat mich Euer Wort erbaut.
Luther: So hat Euch Gott durch mich erbaut. Wir Men
schen sind ja immer nur Werkzeuge Gottes.
Eberhard: Sollten's sein, Herr, sind's aber nit — wenigstens
ich bin's nit.
Luther: So seid Ihr nah' daran, doch eins zu werden.
Eberhard: Ihr habt ein fein Gebetlein in der Not gesprochen,
trostreich und brünstig klang es mir in Ohr und Herz.
Das hätt' ich gern für große Gewissensnöte. Sagt, woher
habt Ihr solch Gebetlein?
Luther: Kennt Ihr die Biblia nicht, das lautere Gotteswort?
Eberhard: O Herr, bin kein Schartekenhengst und Bücher
wurm, kann nit Latein.
Luther: Die Biblia in unserem lieben Deutsch, die mein' ich,
Ritter.
Eberhard: Solch Wort steht in der Biblia? Hab's nit gewußt.
Luther: Und noch viel mehr dergleichen Worte, köstlich seine.
Schlagt nur den Psalter auf, da findet Ihr das Himmels
brot, das not ist für die Pilgerreis' auf Erden.
Eberhard: Ach, Herr, im Psalter hat mich noch kein Hirt
geweidet!