Die westfälischen Minister
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Generalgouverneur Lagrange. Aber an der Spitze des Ministeriums stand
der deutsche Schweizer Johannes v. Müller. Als einfacher Professor
der Geschichte hatte er vor 25 Jahren am Casseler Carolinum gewirkt,
damals das Lob der Hessen und ihres Landgrafen in den höchsten Tönen
gesungen und sich gewiß nicht träumen lassen, daß er noch eininal in
derselben Stadt der Leiter eines usurpatorischen Staatswesens sein werde.
Er blieb es auch nicht lange, sondern übernahm bald die Stelle eines
Generaldirektors des öffentlichen Unterrichts, für die er auch mehr
Neigung und Fähigkeit besaß. Gegen die Beschränkung der akademischen
Freiheit auf den Universitäten konnte er freilich nicht viel tun und starb
auch zu früh, um zwei der westfälischen Universitäten, Rinteln und
Helmstedt, vor dem Untergang retten zu können. Allerdings hatte die
schaumburgische Erncstina schon lange nur noch kümmerlich existiert,
als sie 1809 ein Opfer der schlechten westfälischen Staatsfinanzen wurde.
Johannes v. Müllers Nachfolger als Ministerstaatssekretär wurde der
stanzösische Kreole Le Camus, ein alter Jugendfreund und besonderer
Günstling Jeromes und eine ihm durchaus kongeniale Natur, der zum
Grafen von Fürstenstein erhoben und mit einer Gräfin Hardenberg
vermählt, sich in seiner hohen und einflußreichen Stellung bis zum Ende
der westfälischen Reichsherrlichkeit zu behaupten wußte. Die Ministerien
des Innern und der Finanzen waren später mit Deutschen besetzt. Der
Preuße v. Bülow fiel 1811 in Ungnade und nmßte das Finanz
departement dem geschickten, aber beim Volk verhaßten M a l ch u s, einem
geborenen Pfälzer, abtreten. Die Geschäfte des Innern leitete der ehemalige
braunschweigische Minister v. Wolffradt aus Schwedisch-Pommern.
Hessen hatten in den Ministerien keinen Platz. Die letzten Minister des
Kurfürsten Baumbach und Waitz waren beide Ende 1808 gestorben,
ohne in die Dienste des Usurpators getreten zu sein. Das Kriegs-
Ministerium blieb ebenso wie das von Simeon bis 1813 verwaltete
Departement der Justiz eine ausschließliche Domäne der Franzosen. Der
Gauner Lagrange mußte sein unehrenhaft geführtes Amt schon nach
wenigen Tagen niederlegen, blieb aber auf Napoleons Verwendung
Generalstabschef der in Westfalen liegenden französischen Truppen.
Sein Nachfolger M o r i o, dem Napoleon selbst die Befähigung für eine
Korporalsstelle absprach, wurde nach IV, Jahren auf Betreiben des
Kaisers entlassen, blieb aber in der Gunst Jeromes und erhielt das
Kommando über die westfälischen Truppen in Spanien. Auch hier von
der Mißgunst Napoleons verfolgt, kehrte er nach Cassel zurück und
fand dort Weihnachten 1811 ein schreckliches Ende durch Meuchelmord.