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Kurfürst Wilhelm und Napoleon
Zeitlang plante, wagte Wilhelm nicht, und die Herzogin von Gotha,
die einen vergeblichen Bittgang zur Kaiserin Zosephine in Mainz getan
hatte, riet ihm auch entschieden davon ab. Er versuchte aber mehrmals
von Gottorp aus mit Napoleon in Unterhandlungen zu treten, aber alle
von der Not diktierten Zugeständnisse vermochten nicht, den Sieger um-
zustimmcn. Als die kurfürstlichen Unterhändler Geh. Rat v. d. Malsburg
und General v. Lehsten in Berlin die Vermittlung Bignons, des früheren
Gesandten in Cassel, anriesen, erreichte dieser nichts als die brüske Ant
wort des Kaisers: „Bah! Braunschweig, Nassau, Cassel, alle diese
Fürsten sind durchaus englisch, sie werden niemals unsere Fr eundesein."
Die Kurprinzessin, die in den kritischen Oktobertagen im Berliner Schlosse
einem kleinen Prinzen Z ein nur kurzes Leben geschenkt hatte und daher
als einziges Glied der königlichen Familie nicht hatte weiter flüchten
können, wurde zwar von Napoleon mit Zuvorkommenheit behandelt,
doch der Brief ihres Schwiegervaters, den sie ihm übergeben konnte,
blieb unbeantwortet. Am 14. November erließ der Kurfürst eine öffent
liche, aus Schleswig datierte Erklärung, in der er seine Politik gegen
über den Anklagen der St. Genestschen Note zu verteidigen suchte und
unter Berufung auf den seine Neutralität garantierenden Brief Napoleons
an den Kurerzkanzler an das Gerechtigkeitsgefühl des französischen
Kaisers appellierte. Auch diese Erklärung verfehlte vollkommen ihre
Wirkung auf den Angerufenen. Zn seinem Sprachrohr, dem Pariser
Moniteur, suchte Napoleon vor aller Welt seinen brutalen Überfall und
seine Hinterlist zu rechtfertigen, indem er den Kurfürsten und sein Haus
mit Schmähungen überhäufte: „Es gibt in Deutschland kein Haus,
welches beständiger der Feind Frankreichs gewesen wäre. Seit vielen
Zähren verkaufte es das Blut seiner Untertanen an England, um uns
in beiden Weltteilen zu bekriegen. Seine Existenz an unseren Grenzen
ist unverträglich mit der Sicherheit Frankreichs. Die Alliierten von
Frankreich wachsen und gedeihen, seine Feinde werden geschwächt und
entthront."
Wenn aber Napoleon glaubte, durch Beschimpfungen des Kurfürsten
und besonders durch den in mehreren Artikeln des Moniteur behandelten
Vorwurf des Soldatenhandels die Hessen zu gewinnen lind mit denl
Geschick ihres vergewaltigten Landes auszusöhnen, so hatte er sich ebenso
verrechnet wie 14 Zahre zuvor sein Landsmann Custine, der mit den
gleichen Mitteln gearbeitet hatte. Zn dumpfer Resignation hatte sich das
') Prinz Ferdinand, * 9. Oktober, ch schon am 21. November 1806, wurde
im Dom zu Berlin beigesetzt.