Full text: Geschichte des Kurfürstentums Hessen

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Verzicht der Seitenlinien 
äußerliches Erbe mit allem Nachdruck und für alle Zukunft 
feierlichst hierdurch zu verwahren." 
Auch dieser Protest verhallte ohne Wirkung auf die darin Ange 
rufenen. Die Philippsthaler Agnaten benutzten ihn nur, um gegen die 
Aimexion des Hausfideikommisses Verwahrung eiitzulegen, schloffen aber 
schließlich später, 13. Dezember 1880, ebenfalls einen Vergleich mit der 
Krone Preußen, der ihnen gegen die Aufgabe ihrer eventuellen Thron 
rechte eine Erhöhung ihrer Apanagen und die Zuweisung einiger kur 
fürstlichen Schlösser gewährte *). Nach dem Tode des alten Ludwigs III. 
trat schließlich auch der neue Großherzog Ludwig IV. von Hessen-Darm- 
stadt im Namen der jüngsten Linie des Hauses Hessen am 13. Januar 
1881 diesen Derzichtsverträgen bei. 
In seiner wichtigsten Lebensfrage von den nächsten Gliedern seines 
Hauses verlassen, stand Kurfürst Friedrich Wilhelm als einziger un 
beugsamer Träger des hessischen Fürsten- und Landesrechts dennoch un 
erschüttert da. In seiner Lage hätte man es begreiflich und verzeihlich 
finden können, wenn er dies Recht auf sich hätte beruhen lassen. Was 
konnte ihm der hessische Kurhut noch gelten? Er war bejahrt, hatte 
keine Kinder, auf die er ihn vererbte, wohl aber eine zahlreiche Familie, 
deren materielle Versorgung ihm sehr am Herzen lag. Aber der Ge 
danke, von seinem Rechte zu lassen, ist ihm nie gekommen. An dies 
Recht klammerte er sich mit allen Fasern seines hessischen Herzens, 
selbst als die Aussicht, seinen Sieg noch selbst zu erleben, immer geringer 
wurde, und er, wie er auf seinem Sterbebette selber resigniert es aus 
sprach, „für sich nichts mehr, nur noch für sein Land alles hoffen" 
konnte. Die Hoffnung, die brennende Sehnsucht seines Heimwehs noch 
gestillt zu sehen, war sozusagen das einzige, wovon er in der letzten 
Zeit noch lebte, und als sie dahin schwand, da mußte es auch mit ihm 
selber zu Ende gehen. Am Neujahrstag 1875 ließ er, das müde gram 
gebeugte Haupt auf den Arm gestützt, noch einmal die Erinnerung an 
seine 35 jährige Regierungszeit an sich vorüberziehen unb sprach dann: 
„Ich weiß es ja, ich habe vieles schlecht gemacht, aber das hessische 
') Nach dem Tode des Kurfürsten erhielt Landgraf Friedrich Philippsruhe, da» 
Stadtschloß zu Fulda und die benachbarte Fasanerie (Adolphseck). Die Philipps- 
thaler erhielten durch ihren Verzicht das Stadtschloß zu Hanau und Schönfeld, die 
Barchfelder den Eckpavillon des Bellevueschlosses zu Cassel und das Rotenburger 
Schloß. Die Revenuen des kurfürstlichen Hausfideikommißes wurden so verteilt, 
daß die Hauptlinie jährlich 606720 Mk., die Philippstaler Seitenlinien zusammen 
300000 Mk. erhielten. Den Hausschatz selbst behielt Preußen.
	        
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