Full text: Geschichte des Kurfürstentums Hessen

Beschlagnahm« des kurfürstlichen Vermögens 
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gefährliche Agitation unterhalte, deren Fäden in dem sog. Hietzinger 
Komitee zusammenliefen. Trotz redlichster Bemühungen seiner Spione 
gelang es Bismarck freilich nicht, die wirkliche Existenz dieses sagen 
haften Komitees nachzuweisen, er setzte sich aber in seiner Parlaments 
rede mit dem berühmten Worte darüber hinweg, daß er über juristische 
Zwirnsfäden nicht stolpern werde, und scheute sich nicht, die ihren ver 
jagten Fürsten ins Exil gefolgten Getreuen als „bösartige Reptilien" zu be 
zeichnen, die man nicht mit Glacehandschuhen anfassen könne, sondern bis 
in ihre Löcher hinein verfolgen müsse, ohne Scheu, sich daran die Hände 
zu besudeln. Der Treppenwitz der Weltgeschichte hat dafür gesorgt, daß 
dieser Schimpfname nicht an den Verunglimpften, sondern an ihren aus 
den beschlagnahmten Geldern besoldeten Verfolgern haften blieb. 
Fn Wirklichkeit konnte man dem hessischen Kurfürsten außer seinem 
in der Denkschrift niedergelegten Protest gegen die Annexion und seiner 
in anderen Kundgebungen wiederholt ausgesprochenen Hoffnung auf 
Wiederherstellung des gebrochenen Rechtes keine Konspiration oder 
feindselige Handlung gegen Preußen nachweisen, wie er selbst denn auch 
noch iin Eingang seiner vom 22. Mai 1872 datierten letzten Willens 
äußerung feierlich versicherte: „Zm Angesichte unseres in Gottes Hand 
stehenden Todes wollen wir es hier nochmals bezeugen, daß wir nie 
mals eine Feindseligkeit gegen Preußen auch nur im Entferntesten vor 
der im Jahre 1866 geschehenen Annexion im Schilde geführt haben, noch 
auch nachher anders als frei und öffentlich durch das Wort gerechter 
Klage auf den uns durch Gottes Gnade zustehenden unveräußerlichen 
Rechten beharrt haben." 
Die Beschlagnahme war ein einfacher Gewaltsakt und wurde als 
solcher auch allgemein, nicht nur in Hessen, empfunden. Daß der gegen 
diesen „empörenden Treue- und Vertragsbruch" von seiten des Kurfürsten 
erhobene abermalige Protest dennoch wirkungslos verhallte, verstand sich 
nach Lage der Dinge von selbst. 
Mehr noch als die Beschlagnahme selbst gab die Verwendung der 
dadurch erworbenen Gelder Anlaß zu Kritik und gerechter Beschwerde. 
Rach dem Wortlaut des Konfiskationsgesetzes sollten diese Gelder, ab 
züglich der geringfügigen Kosten der Beschlagnahme und Verwaltung, 
zur Überwachung und Abwehr der gegen Preußen gerichteten Unter 
nehmungen des Kurfürsten und seiner Agenten dienen. Der Begriff 
dieser Gesetzesworte wurde nun von der preußischen Regierung insofern 
sehr weitherzig ausgedehnt, als sie, da mit dem besten Willen keine 
feindseligen Unternehmungen des Kurfürsten nachzuweisen waren, die
	        
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