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Haus- und Staatsschatz Entlassung des Thronfolgers
des schon 1830 (vgl. S. 281) den Preußen so wichtig erscheinenden
Gutes, vor dessen Behausung nunmehr der Verfassungsheld Hahndorf
gravitätisch als Hüter auf und ab patroullierte, bis ihn die Turnerfeuer
wehr und schließlich die Preußen ablösten. Weitn auch der Kurfürst
bereits in der Mimsterialsitzung des vorigen Abends die militärische
Besitzergreifung aufs dringendste gewünscht hatte *), ohne daß Kriegs
und Finanzminister den Mut hatten, den Kampf mit dem gefürchteten
ständischen Ausschuß in dieser Sache aufzunehmen, so mochte ihn doch
die eifrige Sorge des Prinzen, den Schatz nach Rumpenheim zu bringen,
wieder mißtrauisch gemacht haben. Dazu kam, daß das unruhige,
begreiflicheriveise etwas aufgeregte Wesen des für den Oberbefehl in
keiner Weise vorbereiteten Prinzen in den hessischen militärischen Kreisen
den Eindruck erweckte, daß er doch seiner hohen Aufgabe nicht ge
wachsen sei. Jedenfalls kam es abends nach elf Uhr, als der Prinz
endlich wieder auf Wilhelmshöhe erschien, um Pferde und Adjutanten
zu erbitten, zu einer Aussprache zwischen den beiden Fürsten, in deren
Folge der Kurfürst seinen Auftrag zurücknahm?). Der Kriegsminister
dankte ihm zwar im Namen der Armee für diesen Entschluß, der aber
doch, wie Abee richtig einwand, im allgemeinen keinen guten Eindruck
machte, vor allem aber den Prinzen, nicht nur für den Augenblick, tief
verstimmen mußte. Schwer gekränkt folgte er den Truppen auf ihrem
Wege nach Süden, schloß sich aber Purch eine besondere Erklärung an
st Der Kurfürst hatte schon im Mai mehrmals beim Finanzministerium die
Sicherung beider Schätze durch eventuelle Überführung ins Ausland in Anregung
gebracht. In einem langatmigen Promemoria vom 18. Mai kam jedoch Rohde
zu dem Schluffe, daß die Frage einer Gefahr von außen so lange nicht bejaht
werden könne, als nicht der Deutsche Bund die Sicherheit der deutschen Staaten
für gefährdet erklären würde. Die Sache müsse aber „scharf im Auge behalten
werden". Auf wiederholtes Drängen des Kurfürsten kam es erst am 15. Juni zu
der nach dem Gesetz erforderlichen Konferenz der Schatzdirektionen mit dem Geheinie»
Ständeausschuß, der einstimmig die Fortführung ablehnte. Unter den Argumenten
waren solche wie die, daß der räumliche Umfang erhebliche Schwierigkeiten biete,
daß in kriegerischen Zeiten der Transport mannigfachen Eventualitäten ausgesetzt sei,
daß anderswo kaum ein passendes Lokal zu beschaffen sei, und daß die ganze Ge
schichte einen höchst bedeutenden Kostenaufwand bedinge!
st Das betr. Handschreiben des Kurfürsten begründete die Entbindung vom
Oberbefehl in sehr merkwürdiger Weise („da ich nicht imstande bin, Sie in der
Nacht standesgemäß equipieren zu können"), war aber sonst in der gnädigsten Forni
abgefaßt mit dem herzlichsten Danke für des Prinzen Dienstwilligkeit in den jetzigen
schwierigen Zeiten. Vom Bahnhof aus dankte der Prinz für die gnädigen Worte
und meldete sich schriftlich ab, um sich in Rumpenheini equipieren zu können.