Full text: Geschichte des Kurfürstentums Hessen

Der Kurfürst für Festhalten am Bunde Nassau 
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mit seiner Division bei Hanau Stellung zu nehmen. In seinem Ant 
wortschreiben versicherte der Kurfürst den Kaiser seiner treuen Anhäng 
lichkeit und unwandelbaren Ergebenheit, die er aber nicht besser betätigen 
könne als wie bisher, nämlich durch gewissenhaftes Festhalten am 
Bundesstandpunkt, wobei er ihn zugleich auf die exponierte Lage seines 
Landes und die in dessen innerer Gesetzgebung liegenden Hindernisse auf 
merksam machte, die jedes nicht durch einen vorausgegangenen Bundes 
beschluß motivierte Handeln verbieten müßten. 
In diesen Sätzen lag die ganze Quintessenz der damaligen kur 
hessischen Politik, die unter peinlicher Vermeidung jedes gegen Preußen 
gerichteten Handelns sich an Bundesrecht und Bundespflicht klammerte, 
was nicht nur das einzige formell Richtige war, sondern auch die meiste 
Garantie für Erhaltung der Selbständigkeit des Landes zu bieten schien. 
In dieser Politik wußte man sich auch mit dem in ähnlicher Lage be 
findlichen hannoverschen Nachbarlande eins, mit dem die Verhandlungen 
weitergeführt wurden. Beide Regierungen glaubten das einzige Mittel, 
den Frieden zu erhalten, darin zu erblicken, daß eine möglichst starke 
Gruppe deutscher Staaten sich freie Hand zwischen Österreich und 
Preußen wahre. Nur vergaß man dabei, daß man ein ganz anderes 
Gewicht hätte in die Wagschale werfen können, wenn man in der 
beginnenden Krisis nicht ungerüstet dastand?) Der Herzog von 
Nassau hatte wenigstens mobilisiert und seine Brigade vorläufig dem 
achten Armeekorps angelehnt. Sein Generaladjutant Generalmajor 
v. Iimiecki kam am 10. Juni mit dieser Nachricht nach Cassel und 
bat zugleich um Mitteilung der kurfürstlichen Absichten und Beschlüsse, 
konnte aber keine bestimmte Antwort erhalten, da der Kurfürst jede 
bindende Abmachung gegen Preußen ablehnte. So unterblieben in Kur 
hessen bis zum letzten Augenblick selbst die allernotwendigsten militäri 
schen Anschaffungen, so daß man schließlich dem Angreifer wehrlos 
gegenüberstand, und das alles nur, um Preußen auch nicht den leisesten 
Anlaß zur Beschwerde zu geben. Und ein solcher fatib sich schließlich 
doch. Am 13. Juni zogen die von Wimpffen angemeldeten österreichi 
schen Truppen der Brigade Kalik aus Holstein durch Cassel und 
“) Nicht mit Unrecht erinnerte damals Graf Bandy an das Beispiel Kurfürst 
Wilhelms I., der in ähnlicher Lage 1806 »n'avait rien imaginS de plus ingdnieux 
que de faire placer aux confins de la Hesse des barriferes oft l’on voyait, Berits 
en trfes grosses lettres les mots: .territoire neutre’. Inutile de demander si ces 
barriferes effrayferent assez nos troupes pour les faire reculer.* Bericht an Drouyn 
de Lhuys, 17. Mai 1866.
	        
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