Full text: Geschichte des Kurfürstentums Hessen

22 
Morckrs Erpressungsversuch. Neue Kaisertitel. 
Graf Wittgenstein (seit 1795 in Cassel) ihn im Stich ließ und die eignen 
Minister ihn warnten, den „bekannten hessischen Löwenmut" gegen die 
„kolossalische Macht Bonapartes" und seiner „gottlosen Franken" auszu 
spielen. In aller Eile mußte der General v. Motz einen allgemeinen 
Defensionsplan Hessens entwerfen, um auf alle Möglichkeiten gefaßt und 
parat zu sein. Die Franzosen erhielten eine abschlägige Antwort und 
zogen unverrichteter Sache wieder ab, Mortier verstand sich sogar zu 
einer Art von Entschuldigung. 
Die steigende Macht Frankreichs, dessen erster Konsul eben in Paris 
zum größten Bedauern des Kurfürsten das Moreau-Pichegrusche Kom 
plott unterdrückt hatte, schien nun doch endlich auch dem preußischen 
König unbequem zu werden. Als Kurfürst Wilhelm zum Karneval 1804 
wieder nach Berlin kam, fand er dort plötzlich eine kriegerische Stim 
mring vor, an deren Ernst er aber nicht recht glauben wollte. Trotzdem 
gab er nach seiner Rückkehr den Befehl, die Armee zwischen Diemel 
und Weser zusammenzuziehen, um für den Kriegsfall gerüstet zu fein. 
Aber ehe sie noch ausgeführt war, mußte die Order schon wieder zurück 
genommen werden, da Preußen sich wieder mit Frankreich verständigt 
und der Kurfürst dem Druck des französischen Gesandten nachgeben 
mußte. Dabei war eben erst die entsetzliche Nachricht von dem Bölker- 
rechtsbruch Bonapartes in Baden und der Erschießung des Herzogs 
von Enghien bekarrnt geworden, aber niemand wagte gegen diese neue 
Verletzung Deutschlands tätig einzuschreiten. 
Während der Kurfürst in Cassel eine sonderbare Begegnung mit 
dem Prinzen Carl von Rotenburg hatte, der einst als Iakobinergeneral 
in Paris eine fragwürdige Rolle gespielt hatte, kam die Nachricht, daß 
der Advokatensohn aus Korsika sich zum Kaiser der Franzosen habe 
ausrufen lasten. Schlimmer noch als diese Kunde von der Krönung der 
französischen Revolution traf alle deutschen Herzen die Mitteilung, daß 
der Römische Kaiser Franz II. den Titel eines erblichen Kaisers von 
Österreich angenommen habe. Damit wurde die Wertlosigkeit der bisher 
in der ganzen Welt als höchste anerkannten Würde offen ausgesprochen 
und das französische Beispiel eines bloßen Territorialkaisertums einfach 
nachgemacht. Was bedeutete nun noch das Amt der Kurfürsten? Sollten 
sie einen spätern österreichischen Erbkaiser nur einfach bestätigen, oder 
sollte es gar zwei Kaiser im Reiche geben? Schon vor dem formellen 
Ende des Reiches war init dieser Erklärung das Recht der Kurfürsten 
illusorisch geinacht. Am 4. Septeinber 1804 kam Kurfürst Wilhelm 
mit dem klügsten seiner Standesgenossen, dem neuen Kurerzkanzler Dal-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.