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Architektur Bildende Kunst
verknüpft ist. In seiner Stellung als Lehrer an der Höheren Gewerbe
schule in Cassel zog Ungewitter aber eine Reihe begeisterter Schüler
heran, die mit ihm über die hessischen Grenzen hinaus das deutsche
Bauleben für lange Zeit stark beeinflußten. In Hessen sind seiner Schule
namentlich die glücklichen Wiederherstellungsbauten besonders kirchlicher
Gebäude zu verdanken, wie zu dieser Zeit überhaupt eine bis dahin
unbekannte Denkmalschutzbewegung ihren Ursprung nahm, die auch die
später in Angriff genommene Sammlung der mittelalterlichen Baudenk
mäler des Landes durch Dehn-Rotfelser veranlaßte. Auf Hassenpflugs
und Vilmars Anregung erneuerte u. a. Friedrich Lange seit 1854
die durch einen Wolkenbruch arg verwüstete Marburger Elisabethen
kirche. Auch der Fulder Dom und die uralte Michaelskirche wurden
von Lange in glücklichster Weise wiederhergestellt, ehe die alte Boni-
fatiusstadt im Juni 1855 die Gläubigen zur 1100 jährigen Jubelfeier
ihres Schutzheiligen einlud.
Auf den sonstigen Gebieten der bildenden Kunst herrschte in Hessen
kein sonderlich reges Leben. Werner Henschel, der Schöpfer des
Fulder Bonifatius lebte seit 1843 bis zu seinem Tode (1850) ständig
in Rom, wohin ihm auch seine Schüler Kaupert und Gerhardt
folgten. Kauperts beste Arbeit, sein marmorner Hessenlöwe zum Ge
dächtnis der Opfer der Fremdherrschaft, fand erst nach dem Untergang
Kurhessens neben Schumanns Richtstätte in der Aue sang- und klanglos
seine Aufstellung. Hassenpflugs Sohn Carl zeigte auf der Herbst
ausstellung des Casieler Kunstvereins von 1853 seine ersten bildnerischen
Arbeiten und fertigte dann die neuen Sandsteinreliefs für die Fulder
Michaelskirche und die Apostelstatuen des Marburger Elisabethenlettners.
Der Senior der hessischen Bildhauer Johann Christian Ruhl, der
Lehrer Rauchs, starb 1842. Sein jüngerer Bruder Louis Sigis
mund übernahm 1840 die Direktion der Casieler Akademie, die in
unzureichenden Räumen, erst am Ständeplatz, dann seit 1853 im ehe
maligen Marstalle des Landgrafen Friedrich ein Aschenbrödeldasein
führte. Der hochbegabte, in vielen Sätteln gerechte Jugendfreund Arnims,
Schopenhauers und Platens wurde im Laufe der Jahre zu sehr zum
romantischen Sonderling mit schriftstellerischen und philosophischen
Neigungen, um seine anfänglichen Reformpläne zur Hebung des Kunst-
instituts durchführen zu können, die auch von seiten des Regenten keine
Unterstützung erhielten. Von den alten Lehrern der Akademie waren die
bedeutendsten Louis Grimm und Friedrich Müller, der Bruder
des in München lebenden Landschafters, der zum Unterschied der „rote