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Eisenbahnen Nauheim
Kosten durch Aktienzeichnung aufgebracht (vgl. S. 222). Die Arbeiten
leitete seit 1846 der belgische Ingenieur Franz Splingard aus Namur.
Im Frühjahr 1848 war die erste Strecke von Carlshafen bis Greben
stein fertig, und im Herbste konnte auch der bisher durch Omnibus
fahrten vermittelte Abschnitt von Cassel nach Grebenstein eröffnet werden.
Um dieselbe Zeit wurde auch im äußersten Süden des Landes die seit
1845 aus privaten Mitteln erbaute Hanau-Frankfurter Bahn
fertig, die in den unruhigen Septembertagen dieses Jahres das seit
250 Jahren in gemächlicher Fahrt auf dem Main schwimmende Frank
furter Marktschiff ablöste. Große Schwierigkeiten machte der Bau des
südlichen Teiles der Friedrich-Wilhelms-Nordbahn mit den großen
Brückenbauten bei Guntershausen und Melsungen und verschiedenen
Tunnelanlagen. Fast vier Jahre brauchte der belgische Ingenieur
Gosfard zur Herstellung des Hönebacher Tunnels, nach dessen Fertig
stellung das ganze Werk im Herbst 1849 vollendet war und dem Be
trieb übergeben werden konnte.
Der heftige Kampf um die Linienführung der zweiten großen
hessischen Bahn vom Main zur Weser war zugunsten der Route über
Marburg entschieden worden, und diesmal hatten die Stände auch die
Kosten bewilligt, die durch mehrere große Anleihen aufgebracht wurden.
Nach dem Abschluß des Vertrages voin 6. Februar 1845 mit Darmstadt
und Frankfurt begann man mit den Bauarbeiten, die nach Gerlands
Rücktritt zum Militärdienst der Erbauer des Ständehauses R u h l leitete,
und am 3. September 1849 konnte der erste Zug der hessischen Süd
bahn, von der Henschelschen Lokomotive „Hassia" geführt, bis Gen
sungen gehen. Im Frühjahr 1850 war die Strecke bis Marburg fertig,
zwei Jahre später, am 15. Mai 1852, wurde die letzte Strecke bis Frank
furt dem Verkehr übergeben *). Auch die einstweilen zurückgestellte, erst
1855 vom Kurfürsten konzessionierte zweite Route nach Frankfurt über
Bebra—Fulda kam schließlich zur Ausführung, nachdem der Land
tag von 1857 einstimmig ihren Bau beschlossen hatte. Die Ausführung
verzögerte sich infolge der politischen Wirren und der teilweisen Terrain
schwierigkeiten, namentlich am Distelrasen bei Schlüchtern, so daß die
*) Eine bedeutende Förderung durch die neue Mnin-Weserbahn erfuhr u. a.
das feit 1837 bestehende kurhessische Bad Nauheim, besonders seitdem nach
bangen Sorgen um das Ausbleiben des Sprudels der Ausbruch der neuen, 56 Fuß
hohen warmen Friedrich-Wilhelmsquelle am 15. Mai 1855 dem Bade eine neue
Anziehungskraft verlieh, die anfangs nur eine ungeheure schaulustige Menge herbei
zog (am 21. Mai kam auch der Kurfürst mit seiner Familie und deni Landgrafen
Wilhelm hin), dann aber auch die Zahl der eigentlichen Kurgäste wesentlich verstärkte.