Leih- und Kommerzbank Henschel Eisenbahnen
331
Hause, hatte nur bei der Anlage der Friedrich - Wilhelms - Nordbahn
eine kurze Feit geblüht und natürlich auch ihre Opfer gefordert. Wirt
schaftliche Zusammenbrüche, wie der Bankerott der alten, seit 1721 be
stehenden Casseler Leih- und Kommerzbank am 9. Mai 1859 gehörten
zu den Seltenheiten, erregten darum aber auch um so mehr Aufsehen.
Die Frage der Befriedigung ihrer Gläubiger beschäftigte noch lange die
Regierung und den Landtag.
Ein industrielles Unternehmen in Hessen stand wie kein anderes
unter dem Einfluß der neuen Verkehrsentwicklung und verdient darum
besondere Erwähnung. Aus den Ruinen des alten, im Oktober 1836
abgebrannten staatlichen Gießhauses, das die Wiege der Firma gewesen
war, entstand die von dem Oberbergrat Carl Anton Henschel mit seinen
Söhnen gegründete Maschinenfabrik von Henschel L Sohn. Mit dem
Bronzeguß des Fulder Bonifatiusdenkmals (vgl. S. 210) wurde das
neue Werk eingeweiht, dessen Spezialität nicht mehr Glocken und Ka
nonen, sondern schwere Werkzeugmaschinen für Eisenbahn und Schiffsbau
werden sollten. Fast anderthalb Fahrhunderte nach Denis Papins erstem
Casseler Versuch entstand hier 1843 der erste Fuldadampfer „Eduard"
für den Verkehr zwischen Cassel und Münden, der aber dann, da die Kor
rektion des Fuldabettes damals nicht zu ermöglichen war, für die Weser
schiffahrt bestimmt wurde. Ihr eigentliches Feld fand die „Henschelei"
aber auf dem Gebiete des Lokomotivenbaues. Am 29. Juni 1848 wurde
die erste Lokomotive „Drache" für die Friedrich-Wilhelms-Nordbahn
abgeliefert, und seitdem ging die Herstellung in iinmer mehr beschleu
nigtein Tempo vor sich. 1860 wurde die fünfzigste Lokomotive fertig:
nach fünf Fahren war das erste Hundert bereits überschritten.
Carl Anton Henschel war einer der eifrigsten Förderer des hessischen
Eisenbahnbaues gewesen, sein Schwiegersohn Gerland wurde der
erste Generaldirektor der staatlichen Bahnbauten. Die Schwierigkeiten,
die anfangs den Eintritt Kurhessens in das deutsche Eisenbahnnetz ver
zögerten, sind oben bereits erwähnt worden. Abgesehen von dem bald
überwundenen prinzipiellen Widerstand der konsequenten Eisenbahngegner
hemmte die begreifliche Unschlüssigkeit über die Linienführung jahrelang
den Eisenbahnbau. Nach dem Abschluß des Vertrages vom 20. De
zember 1841 zwischen Kurhessen, Preußen, Weimar und Gotha dauerte
es noch drei Fahre, bis der Bau der ersten hessischen Bahn, der Kurfürst
Friedrich-Wilhelms-Nordbahn von Carlshafen bzw. Hümnie über
Cassel—Bebra nach Gerstungen in Angriff genommen wurde. Da die
Stände sich gegen den Bau aus Staatsmitteln sträubten, so wurden die