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Militär. Gamaschendienst.
freit) in demselben Regiment, in dem schon Vater und Großvater ge
standen und geblutet hatten. Auf zahllosen Schlachtfeldern Europas
und jenseits des Atlantischen Ozeans hatte das hessische Heer gefochten,
und Freund und Feind hatten ihm die höchste Anerkennung gezollt.
Uber die Hessen in den letzten Revolutionskriegen fällten der Preuße
Valentini, der Österreicher Nasch und der Franzose Fomini das gleiche
Urteil, daß sie „von allen Völkern, die gegen Frankreich zu Felde zogen,
am meisten Soldaten seien" lind „eine entschiedene Überlegenheit über die
Preußeil jener Zeit" hatten, die doch seit Friedrichs des Großen Tagen
als das Vorbild militärischer Tüchtigkeit galten. Aber seit 1795 rostete
das hessische wie das preußische Schwert in der Scheide, und während
noch die Heere des Kaisers in blutigem Kampfe mit den Franzosen
standen, übte man hinter der durch den preußischen Reichsverrat ge
zogenen Demarkationslinie den Parademarsch. Des Kurfürsten Eigen
schaft als preußischer Generalfeldnmrschall und Inspekteur der preußi
schen Truppen in Westfalen, die ihn zu regelmäßigen Besichtigungsreisen
nach Paderborn und Wesel führten, hatten keinen günstigen Einfluß auf
die kriegerische Ausbildung des hessischen Militärs. Wilhelms sowieso
vorhandener Hang zu militärischen Äußerlichkeiten, den er mit dem
preußischen König Friedrich Wilhelm III. nur zu sehr teilte, wurde
durch diese Inspektionsreisen noch genährt. Zwar fanden regelmäßige
Frühjahrsübungen und Manöver statt, zu denen die aus Sparsamkeits
rücksichten sehr zahlreichen Beurlaubten eingezogen und eingeübt wurden,
aber alle diese Exerzitien litten sehr unter dem besonders gepflegten
Gamaschendienst und ödem Paradedrill. Rur schwer konnte sich der Kur
fürst zu Reformen im Dienstreglement entschließen, und die Abschaffung
der kunstvoll gebauten Schläfenlocken bei der Garde bedeutete für ihn
schon eine kleine Revolution, bei der streng darauf gesehen werden
mußte, daß „toufours un sir de propertc konserviert" wurde. Die
in der ftanzösischen Armee neuerprobten Erfahrungen in Kleidung, Be
waffnung und Bewegung blieben schon darum unberücksichtigt, weil sie
eben französisch waren. Dadurch büßte leider das hessische Militär mehr
und mehr die Fortschritte ein, die es namentlich seit dem amerikanischen
Krieg in seiner Taktik und kriegerischen Ausbildung gemacht hatte,
zumal hervorragende Führer des kleinen Krieges aus dieser Zeit, wie
Ewald und Wiederhold, aus ihm ausgeschieden und in fremde Kriegs
dienste getreten waren. Doch fehlte es nicht an tüchtigen Offizieren, die
dafür sorgten, daß die alte Tradition des hessischen Soldatenruhms
nicht nur in Äußerlichkeiten gewahrt wurde.