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Preußische Agenten in Cassel Radowitz
brück aus dem Berliner Ministerium des Innern, als Mitglied der
Zollvereinskonferenz feit dem Juli in Cassel, versah die preußische Re
gierung mit fortlaufenden Berichten über die Vorgänge in der Residenz
und über die Stimnrung der Bevölkerung, trat mit den hervorragendsten
Mitgliedern der Opposition in enge Verbindung, und die ihm eigens zu
diesem Zwecke beigegebenen Offiziere, Major v. Voigts-Rhetz und Leutnant
v. Zglinicki, mußten sich auf Veranlassung des Prinzen von Preußen
an die hessischen Offiziere heranmachen und Einflriß auf sie zu gewinnen
suchen. Es konnte nicht ausbleiben, daß diese heiinlichen Wühlereien
bei der bald darauf folgenden Tragödie des hessischen Offizierkorps bis
zu einem gewissen Grade mitbestimmend waren, so sehr gerade das
spätere Verhalten der hessischen Offiziere mit den Traditionen der
preußischen wie der hessischen Arinee im Widerspruch stand.
Um so mehr entsprach den: heimlichen Treiben preußischer Agenten
in Cassel das Auftreten der Berliner Diplomatie. Zn mehreren offiziellen
Roten und mündlichen Erklärungen des Gesandten v. Thile, des
Nachfolgers von Galen (1844—48), protestierte die preußische Regierung
gegen die Anrufung der von Preußen nicht anerkannten Bundesver
sammlung, deren Einmischung in die kurhessische Angelegenheit man nicht
zulassen werde. Unterstützt wurde dieser Protest drnch drohende Truppen-
zusamnienziehungen an den hessischen Grenzen. Die kurfürstliche Re
gierung antwortete mit einer entschiedenen Verivahrung gegen eine von
ihr nicht verlangte Intervention, namentlich aber gegen ein etwa beab
sichtigtes, dem Bundesrecht zuwiderlaufendes militärisches Einschreiten.
So sehr dein König Friedrich Wilhelm IV. auch persönlich eine
„Allianz mit deir hessischen Rebellen" zuwider war, so wollte er doch
auch die Bundesversamnilung nicht anerkennen, und sah sich durch seine
Ratgeber gedrängt, den von ihm selbst nur mit halbem Herzen ver
tretenen Sonderbundsgedanken wieder stärker zu betonen. Anr 26. Sep
tember übernahm Radowitz, der Vater der preußischen Union, die
Leitung der preußischen Politik, und damit war es entschieden, daß
nunmehr der Streit zwischen dem preußischen Sonderbunde und dem
allgemeinen Deutschen Bunde zum Austrag kommen werde, und zwar
nach Lage der Dinge auf kurhessischem Boden.
Die Nachricht von Radowitzens Ernennung kam nach Wilhelmsbad,
als das Ministerium sich gerade anschickte, die durch den Bundesbeschluß
vom 21. September angeregten Maßregeln zu ergreifen. Sie bestanden
in einer Versckärfung des Kriegszustandes durch Verordnung
vom 28. September, die drei Tage später unter Trommelwirbel auf den