Full text: Geschichte des Kurfürstentums Hessen

Katzenmusiken Zweite Gardedukorpsnacht 
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auch Charivaris genannt, mit denen man mißliebige Mitbürger zu be 
glücken pflegte. 
Anfangs April verbreitete sich in Cassel das Gerücht, daß der Kur 
fürst noch mit dem entlassenen Ministerium verkehre. Im Palais sollten 
nächtliche Konferenzen mit Motz, Schmidt und Abee stattgefunden 
haben. Die Volksseele fing wieder an zu kochen und verlangte, daß alle 
Männer des alten Regimes aus der Stadt entfernt würden. Um diesem 
Wunsche Nachdruck zu verschaffen, ging eine neue Hetze gegen die Ver 
haßten los. In der Nacht vom 7. auf den 8. April erhielt Motz nicht 
weniger als drei Katzenmusiken, wobei kaum ein Fenster seiner Wohnung 
heil blieb. Die Nacht darauf erhielten Schmidt, Abee, Oberappellations 
rat Dehn-Rotfelser und der Oberfinanzrat v. Hanstein-Knorr ihr Teil, 
ebenfalls mit Zugabe von Fenstereinwürfen. Man fand Gefallen an 
diesen nächtlichen Belustigungen, und für die Sonntagnacht vom 9. auf 
den 10. war wieder ein großes Haberfeldtreiben geplant. Diesmal sollte 
es einer größeren Anzahl von Personen, u. a. dem Generaladjutanten 
v. Helmschwerdt und dem Rittmeister v. Baumbach gelten. Baumbach 
war Kommandeur der Gardedukorps, mit der die Bürgerschaft seit 
1831 auf gespanntem Fuße lebte, was sich in diesen Tagen in neuen 
Reibungen von beiden Seiten zeigte. Als die durch die alltäglichen 
Hohnreden der Gassenjungen gereizten Gardedukorps von dem Schimpf 
hörten, der ihrem Befehlshaber zugedacht war, beschlossen ein paar 
Unteroffiziere ihn zu vereiteln oder wenigstens zu bestrafen. Die Wut 
der Soldaten steigerte sich noch, als schon vor dem Beginn des Kon 
zertes, zu dem man sich diemals sogar Fulder Meßmusikanten gedungen 
hatte, an der Rückfront der Kaserne die Fensterscheiben eingeworfen 
wurden. Eine Anzahl Gardereiter legte sich also in den Hinterhalt, 
und als gegen elf Uhr die von ihren Taten schon ganz heiseren Katzen- 
musikanten vor Helinschwerdts und Baumbachs Wohnrtng an der Ecke 
der Fünffensterstraße und des Meßplatzes ihr ohrenzerreißendes Geheul 
begannen, da brachen die Soldaten mit blanken Pallaschen aus dem 
Kasernenstall hervor, hieben wie wild auf das Pflaster, daß die Funken 
stoben und dann auf die nichtsahnenden Demonstranten. Entsetzt über 
diesen unerwarteten Willkomm stob die Menge schreiend auseinander, 
stieß aber unglücklicherweise auf einen andern Trupp von Bürgern, die 
zu gleicher Zeit den in der Nähe wohnenden Märzministern eine minder 
mißlautende Huldigungsserenade zugedacht hatten. Es gab ein fürchter 
liches Durcheinander, das durch die blitzenden Klingen der wütend um 
sich hauenden Gardedukorps noch erhöht wurde, und ehe herzueilende 
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