Full text: Geschichte des Kurfürstentums Hessen

Jordan in Cassel Bürgergardenrevue 
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vollends erschüttert sei. „Jede Aufregung kann ihm tödlich werden. 
Hütet euren Märtyrer! Euren Heiligen! Bereitet ihm eine würdige 
Demonstration!" Die Folge dieser Reklame war, daß man den An 
kommenden durch stürmische Ovationen fast betäubte und erdrückte, 
was ihn aber nicht hinderte, noch am selben Abend vom Balkon des 
„Königs von Preußen" eine lange Rede an die Menge auf dem Königs 
platz zu halten. Wie früher in Marburg, ermahnte er zur Ruhe, Ord 
nung und Mäßigung und warnte vor den republikanischen Tendenzen 
fremder Emissäre, mußte dafür aber unter dem Beifallsrufen seiner 
Zuhörer auch einzelnes Pfeifen und Zischen vernehmen. Zn der Stände 
kammer wurde Jordan sehr herzlich begrüßt. Aber er erschien eigentlich 
nur, um sich zu einer Reise nach Frankfurt Urlaub zu erbitten, wo er 
an den Beratungen des Vorparlaments teilnehmen sollte. Auch hier 
konnte er noch einmal überschwengliche Huldigungen über sich ergehen 
lassen und sah sich in das Präsidium des Vorparlaments gewählt. Bald 
darauf erfolgte seine Ernennung zum kurhessischen Gesandten am Bundes 
tag, und dann hörte man nicht mehr viel von ihm. Seine politische Rolle 
hatte er ausgespielt. (Er starb ziemlich vergessen am 15. April 1861.) 
Am Tage nach Jordans Ankunft in Cassel hielt der Kurfürst 
auf dem Friedrichsplatz eine Revue über die in dieser Zeit zu neuem 
Leben erwachte Bürgergarde ab. Er ritt in Generalsuniform mit der 
weißen Bürgergardenbinde am linken Arm an der Spitze seiner Suite 
die Front ab, überall mit freudigem Zuruf sowohl von den Bürger 
gardisten wie von der unübersehbaren Menge der Zuschauer empfangen, 
und sprach dem Obersten Seidler in warmen Worten seine Anerkennung 
und seinen Dank für den guten Geist aus, den die Bürgergarde in der 
jüngsten aufgeregten Zeit in so anerkennenswerter Weise betätigt habe. 
Der Tag der Eröffnung des Frankfurter Vorparlaments, 31. März, 
wurde in Cassel durch die feierliche Entfaltung der schwarzrotgoldnen 
Fahne gefeiert. Damals sang Freiligrath in London die schwungvollen 
Verse, die in ganz Deutschland Widerhall fanden: 
In Kümmernis und Dunkelheit 
Da mußten wir sie bergen! 
Nun haben wir sie doch befreit, 
Befreit aus ihren Särgen! 
Ei wie das blitzt und rauscht und rollt! 
Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold! 
Mit ehrlicher Begeisterrmg begrüßte man in Hessens Hauptstadt das 
vermeintliche „alte Reichspanier". Schon in der frühen Morgenstunde 
Losch, Geschichte des Kurfürstentums Hessen. 16
	        
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