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Jordans Prozeß und Verurteilung 1839—1843
der französischen und polnischen Revolutionäre den Umsturz des Deutschen
Bundes durch die Errichtung einer deutschen Republik zum Ziele gehabt
hatte. Jordan sei zu einem der Präsidenten der Republik ausersehen
gewesen, habe diesen Antrag angenommen und sich auch besonders bereit
erklärt, die aufrührerischen Proklamationen an das deutsche Volk und die
deutschen Soldaten auszuarbeiten. Der Angeschuldigte leugnete alles und
suchte seinen Verkehr und seine nicht abzuleugnende Verbindung mit den
Revolutionsgenossen, die auch seine Genossen bestätigten, als möglichst
harmlos hinzustellen. Es half ihm nichts, das belastende Material war
zu groß. und am 14. Juli 1843 wurde er wegen Teilnahme an einer
hochverräterischen Verschwörung und ivcgen Beihilfe zum versuchten
Hochverrat durch Nichthinderung hochverräterischer Unternehmungen
vom Kriminalsenat des Marburger Obergerichts zu fünf Jahren Festung
und Dienstentlassung verurteilt. Auch seine Genossen Scheffer, Dr. Eichel
berg, Hach, der Student v. Breidenbach und der Hutmacher Kolbe er
hielten mehrjährige Festungsstrafen; die übrigen neun Angeklagten kamen
mit dem Schrecken davon und blieben straflos. Jordan legte gegen das
Obergerichtsurteil Berufung ein und erreichte endlich am 17. Oktober 1845,
daß er vom Oberappellationsgericht wegen der Mitschuld am Frankfurter
Attentat freigesprochen, wegen der übrigen Anklagen aus der Unter
suchung entlassen wurde. Aber der Verdacht blieb auf ihm ruhn; in sein
Amt wurde er nicht wieder eingesetzt, das geschah erst nach der Revolution
von 1848. Der merkwürdige Widerspruch zwischen den beiden Erkennt
nissen ist bis auf den heutigen Tag nicht aufgeklärt. Es wird sich zwar
kaum mit Sicherheit jetzt noch feststellen lassen, wie weit Jordan an den
Revolutionsplänen beteiligt gewesen ist, daß er aber nicht das Unschulds
lamm war, zu dem ihn die Tagesmeinung und spätere Geschichtsschreiber
gestempelt haben, geht unwiderleglich aus den Enthüllungen hervor, die
einer seiner Mitangeklagten und Leidensgenossen, Dr. Leopold Eichel
berg, 1853 in einer besonderen Broschüre veröffentlichte. Auf diese Ent
hüllungen hat Jordan niemals zu antworten gewagt, wie er sich über
haupt in den politischen Kämpfen der späteren Zeit einer auffallenden
Zurückhaltung befleißigte.
Jordans Prozeß machte ungeheures Aufsehen, und das Schicksal
des unglücklichen Mannes in der langen Untersuchungshaft bewegte
alle Gemüter. Am deutlichsten spiegelte sich das allgemeine Mitgefühl
in Dingelstedts schönem „Osterwort aus Kurhessen", das an die
Marburger Jubeltage des Gefangenen erinnerte und den Vater der
Verfassung in ihm feierte: