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Gardedukorpsnacht 7. Dezember 1831
münblidjen Heiratskonsens noch nicht schriftlich fixiert hatte, worauf sich
die Kurfürstin besonders berief, die Heirat des Kurprinzen anstandslos
anerkannt und den gesellschaftlichen Verkehr mit seiner Gemahlin auf
genommen. So war es allein die Mutter, die in beleidigender Zurück
haltung jedes Zusammentreffen mit dem jungen Paare mied und dadurch
die Stellung des Regenten sichtlich erschwerte. Seit der Ankunft der
Gräfin besuchte sie auch nicht mehr wie sonst das Theater, war aber
höchst indigniert, als der Kurprinz ihr seine Absicht zu erkennen gab,
die große Hofloge für sich zu benutzen und ihr dafür die bisherige kur-
prinzliche Loge einzuräumen, um einem sonst unvermeidlichen Zusammen
treffen mit seiner Gemahlin und etwaigen daraus entstehenden unlieb
samen Szenen vor dem Publikum vorzubeugen. Die Bürgerschaft wurde
unruhig und fürchtete ihren Weggang von Cassel. Auf Schomburgs
Bitten versprach die Kurfürstin, am 4. Dezember zur Aufführung von
Rossinis Teil wieder ins Theater zu kommen, kam aber nicht. Und als
sich das Gerücht verbreitete, ihre Loge sei ungeheizt und unbeleuchtet
gewesen, da ergriff alle Welt Partei für die verehrte Landesmutter und
erblickte in dem Vorfall eine beabsichtigte Kränkung. Der Kurprinz
bedauerte in einem Brief an seine Mutter auf tiefste die angeblich vom
Theaterpersonal begangene Nachlässigkeit und traf die nötigen An
ordnungen gegen ihre Wiederholung. Und wieder wallten Deputationen
unter Herbolds Führung zu Auguste, um sie zum Theaterbesuch zu
bewegen. Die viel Umworbene sagte gerührt zu, und am Abend des
7. Dezember rollte ihr Wagen durch eine dichtgedrängte hochrufende
Menschenmenge zum Theater. Während der Vorstellung wuchs die
Dolkszahl auf der Königsstraße immer mehr an, es hieß, man wolle
der Kurfürstin nachher einen Fackelzug bringen. Aber allmählich nahm
der Tumult mehr und mehr den Charakter einer gegen den Regenten
gerichteten Demonstration an. Vor seinem Palais am Friedrichsplatz
wurde gejohlt und gepfiffen, wüste Reden ertönten, und als der neu
ernannte Polizeidirektor Giesler sich zeigte und zur Ruhe mahnte,
flogen Steine nach ihm und nach dem Palais. Die durch Alarm re
quirierte Bürgergarde kam unvollständig an und zeigte sich machtlos.
Da ihr Chef die weitere Verantwortlichkeit ablehnte, rief Giesler nach
Verlesung der Aufruhrakte das Militär zu Hilfe, das unglücklicherweise
gerade in dem Moment eingriff, als durch den Theaterschluß das Ge
tümmel und Gedränge seinen Höhepunkt erreichte. Mit blanker Waffe
trieb die Gardedukorps die schreiende und tobende, teilweise ganz un
beteiligte Menge auseinander, und wie bei allen solchen Gelegenheiten