Full text: Geschichte des Kurfürstentums Hessen

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Kurprinz Friedrich Wilhelm Morganatische Ehe 
Grimm hielt ihm Vorträge über Geschichte, Burkhard Wilhelm Pfeiffer 
führte ihn in die Rechts- und Staatswissenschaften ein. Zn seinem 
militärischen Lehrer Radowitz fand Prinz Friedrich — so hieß er bis 
zu seinem Regierungsantritt — zugleich den vertrautesten Freund seiner 
Fugend, der aus der Fülle seines hochbegabten Geistes und Gemüts 
lebens ihm mehr geben konnte als nur die Regeln der militärischeir 
Taktik und Ballistik. Nadowitzens Einfluß machte sich besonders geltend, 
als nach denl Tode Wilhelms I. an den nunmehrigen Kurprinzen die 
Frage herantrat, wie er sich in dem, durch das Ariftreten der Gräfin 
Reichenbach veranlaßten, neuem Konflikt zwischen Vater und Mutter 
stellen sollte. Wir haben oben gesehen, wie der Kurprinz in diesem 
Konflikte leidenschaftlich die Partei der gekränkten Mutter ergriff und 
lieber mit ihr in die freiwillige Verbannung ging, als sich vor der ver 
haßten Mätresse und vermeintlichen Giftmischerin zu beugen. Die Zeit 
der Verbannung brachte ihn in Berlin aufs neue in Verbindung mit 
Radowitz, ließ ihn in seiner Begleitung Holland und England kennen 
lernen und führte ihn schließlich nach Bonn zu einem neuen Wendepunkt 
seines Lebens. Hier lernte er unter den Augen seiner Mutter die Frau 
kennen, die sein Herz in Fesseln schlug und ihn zu dem folgenschweren 
Schritt seiner morganatischen Ehe verleitete. Es war Gertrude Leh 
mann geb. Falkenstein F, die 22 jährige bildschöne Frau des damaligen 
20 Fahre älteren Ulanenleutnauts Carl Michael Lehmann. Der Kur 
prinz hatte im Elternhause die traurigen Folgen einer konventionellen 
Fürstenehe genugsam kennen gelernt. Diese Erfahrung, verbunden mit 
der Leidenschaft zu der schönen rheinischen Bürgerstochter, die die Liebe 
des Prinzen erwiderte, ließen ihn die Schuld auf sich laden, die Schranken 
einer wenn auch unglücklichen Ehe zu brechen^), um in den Besitz der 
geliebten Frau zu kommen. Fm Sommer 1831 ließ er die Verbindung 
durch den evangelischen Pfarrer der Gemeinde Rellinghausen im Stifte 
Essen sanktionieren und konnte am 20. August dem Fulder Offiziers 
korps die „Freifrau von Schaumburg" als seine Gemahlin vor 
stellen. Mit diesem Schritte hatte Friedrich Wilhelm sich aber nicht nur 
die Liebe der Mutter und die Freundschaft Radowitzens verscherzt, 
') * 18. Mai 1806 zu Bonn als Tochter des Weinhändlers Gottfried Falken 
stein und seiner Frau Magdalene geb. Schulze. Daß moderne Fudenriecher ihre Nach 
kommen in den „Semi-Gotha" gebracht haben, sei nur der Kuriosität halber erwähnt. 
si Es ist wohl nicht ganz unerheblich für die Beurteilung dieser Ehetrennung, 
daß Lehmann sich später noch zweiinal scheiden ließ. Auch seine vierte Ehe mit 
f seiner Haushälterin fand durch den freiwilligen Tod des unglücklichen Mannes 
(1882) kein natürliches Ende.
	        
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