Preußischer Zollverein und Mitteldeutscher Handelsverein 1828 147
Husaren und Füsiliere sechs Wochen lang einen Grenzkrordon an der
ganzen waldeckisch-westfälischen Grenze und hatten ordentliche Gefechte
mit Schmugglern zu bestehen, ohne daß durch diese und ähnliche Maß
regeln ein wesentlicher Erfolg erzielt werden Konnte.
In ganz Deutschland empfand man das Unhaltbare dieser Zu
stände, und mehrere Versuche zur Abhilfe Kreuzten sich. Kurhessen hatte
seit Herbst 1820 an den Darmstädter Verhandlungen süd- und west
deutscher Staaten teilgenommen, die eine Zolleinigung des Bundes
gebietes bezweckten, aber resultatlos verliefen. Im Januar 1828 schlossen
sich Bayern und Württemberg zum Süddeutschen Zollverein zusammen
und kurz darauf, im Februar, gelang es Preußen, die Finanznot des
namentlich im hessischen Hinterlande durch die hohen preußischen Zölle
völlig lahmgelegten Großherzogtums Hessen auszunutzen und Darmstadt
zum Anschluß an Preußen zu gewinnen. Auch Kurhessen wurde sehr von
Preußen umworben, trotzdem damals die diplomatischen Fäden zwischen
den Höfen von Berlin und Cassel zerrissen waren. Der geistige Urheber
der preußischen Zollpolitik — es war sonderbarerweise ein geborener Kur
hesse — der Finanzminister v. Motz (vgl. S. 98 u. 131) ließ zu deut
lich merken, daß der Kernpunkt seines Planes darin bestand, durch die
Zollpolitik die Suprematie in Deutschland zu gewinnen, ein preußisches
„Zollkaisertum" aufzurichten und Österreich von Deutschland wirtschaft
lich abzuschnüren. Dagegen wehrte sich der gesunde deutsche Individua
lismus, der instinktiv die Gefahren der sogenannten Einheitspolitik ahnte,
für die der Frankfurter Senator Thomas damals die treffenden Worte
fand: „Diese Art der Einheit, welche mit gleichgültigen Dingen anfängt,
endet mit Einem Herrn und mit Einer Hauptstadt, was mir die un-
deutscheste Idee ist, die ich kenne. Wir wollen nun einmal Hessen,
Franken, Schwaben bleiben. Zusammengestoßen in einen haltlosen Brei,
fühlt keiner sein eigenes individuelles Leben mehr." Thomas war einer
der Wortführer des mitteldeutschen Zollkongresses, der im August und
September 1828 in Cassel tagte und am 24. September mit der Be
gründung des Mitteldeutschen Handelsvereins schloß. Außer
Kurhessen gehörten noch Sachsen, Hannover, Braunschweig, Oldenburg,
Thüringen, Nassau und Frankfurt dem Verein an, insgesamt siebzehn
Staaten im Herzen Deutschlands mit etwa sechs Millionen Seelen, die
sich zunächst auf sechs Jahre zur Förderung eines möglichst freien
Handelsverkehrs zusammenschlossen. Preußen begann nun einen scho
nungslosen Zoll- und Straßenkrieg gegen diesen Verein, um ihn lahm
zulegen und womöglich zu sprengen, was ihm auch in nicht allzuferner
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