Der kurfürstliche Ehezwist
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Minister Graf Bernstorff „den dümmsten Menschen unter der Sonne"
nannte, hat später Treitschke die kurhessischen Zustände von 1819—32
ausgemalt.) Der Konflikt wurde erst durch eine Sonderbotschaft des
Kammerherrn v. d. Malsburg zur Vermählung der Prinzeß Alexandrine
von Preußen im Funi 1822 beigelegt, und Hänlein kehrte wieder
nach Cassel zurück. Zur selben Zeit erschien dort der preußische
Oberpräsident v. Motz, ein Iugendgespiele des Kurfürsten aus der
Hanauer Kinderzeit, um in den, Konflikt zwischen dem kurfürstlichen
Ehepaar zu vermitteln. Wilhelm II. hatte selbst mehrfach den Versuch
gemacht, ein erträgliches, friedliches Verhältnis zu seiner legitimen Ge
mahlin herzustellen. Zu ihrem ersten Geburtstag als Kurfürstin schenkte
er ihr das ehemalige Lustschloß Zeromes Schönfeld, für das die natur
liebende Fürstin von jeher eine Vorliebe gehabt hatte, benannte es zu
ihren Ehren Augustenruhe und gab ihr zu Weihnachten noch 10000
Taler als Beitrag für den von ihr geplanten Umbau. Aber alle diese
Versuche scheiterten und mußten immer wieder daran scheitern, daß
Wilhelm von seiner Freundin nicht lassen konnte noch wollte. So blieb
auch die Sendung Motzens vergeblich, um so mehr als der Kurfürst
sich jede Einmischung in seine Familienverhältnisse verbat und seine
Forderung der Anerkennung der Reichenbach mit dem Beispiel seines
preußischen Schwiegervaters begründete, bei dessen Mätresse, der Gräfin
Lichtenau, er mit seiner damaligen Braut auch zu Besuch habe erscheinen
müssen. Zu einem Waffenstillstand zwischen den streitenden Ehegatten
kam es erst durch einen förmlichen Vertrag vom 25. September 1822,
den der preußische Hausminister Fürst Wittgenstein (der ehemalige
Gesandte in Cassel, S. 22) zustande brachte. Durch diesen von der
Kurfürstin anerkannten Vertrag erhielt sie völlige Selbständigkeit in
ihrein getrennten Hausstande, eine gewisse Freiheit in der Wahl ihrer
Umgebung und eine bedeutende Erhöhung ihres Schatullgcldes. Dafür
erkannte sie erneut das Verhältnis der Rcichenbach zum Kurfürsten an,
versprach die Gräfin in derselben Weise einpfangen und behandeln zu
wollen, wie die selige Kurfürstin die Gräfin Hessenstein behandelt hatte,
und behielt sich nur vor, sie bei gewissen Gelegenheiten nicht in ihrem
Hause zu sehen. Dieser Vertrag mußte den Kurfürsten nur in seiner
merkwürdigen Auffassung von der Rechtlichkeit seines bigamischen Ver
hältnisses bestärken. Aber der Riß in seinem Familienleben war damit
nur notdürftig verkleistert, zumal der Kurprinz, der bald nach dem
halte ich es für meine Pflicht, Ew. Majestät in Kenntnis zu setzen." 3d) behalte
mit vor, Hänlein» Berichte noch einmal näher zn beleuchten.