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Militärische Reformen Zwilverwaltung
und 3 Linieninfanterieregimenter), der Artilleriebrigade und der Kavallerie
brigade (Gardedukorps und 2 Husarenregimenter). Die Regimenter ver
loren ihre alten Namen nach den Inhabern und bekamen statt dessen
farblose und bei ihrer geringen Zahl zwecklose Nummern. Das alte seit
1688 bestehende blaue Leibdragonerregimeitt mußte sich in ein braunes
zweites Husarenregiment verwandeln. Die durch den preußischen Major
v. Safft reorganisierte Artillerie bekam zum ersten Male dunkelgrüne
Röcke nach dem Muster der russischen Gardeartillerie. Sonst war im
Schnitt der Uniformen und in allen sonstigen Einzelheiten, auch in der
Organisation und im Exerzierreglement das preußische Muster durchweg
maßgebend, so daß die Casselaner an preußische Einquartierung glaubten,
als am Geburtstag des Kurfürsten die neuen Uniformen zuerst auf
tauchten. Durch die Reduktion wurden viele Militärs gezwungen, in
den Ruhestand zu treten, hatten aber über keinen Verlust an Einnahmen
zu klagen, da die Pension in vielen Fällen die frühere Gage überstieg,
wie denn die ganze Besoldung von Offizieren und Mannschaften außer
ordentlich erhöht wurde. Ein neu eingerichtetes Generalkriegsdepartement,
dessen Chef der Oberst v. Cochenhausen wurde, übernahm die Funktionen
eines bis dahin nicht bestehenden Kriegsministeriums. Auch die Zahl der
Garnisonsorte wurde vermindert. Abgesehen von den Invaliden wurden
die Truppen in Cassel, Marburg, Fulda, Hanau, Ziegenhain, Hofgeis
mar, Grebenstein stationiert. Die Schwadronen des 1. Husarenregiments
wechselten ihre Standorte zwischen Fritzlar, Wabern, Gudensberg und
Melsungen. Homberg, Rinteln, Treysa und Frankenberg verloren ihre
bisherigen Garnisonen. Seinen Feldzugskameraden von 1814/15 stiftete
Wilhelm II. schon am Begräbnistage seines Vaters eine Denk- und
Ehrenmedaille (Vgl. oben S. 93). Später, im September 1822, er
hielten auch die alten Ritter der Ehrenlegion im hessischen Heere — es
waren noch 33 — die bis dahin verweigerte Erlaubnis, diesen napoleo-
nischen Orden, nur mit dem Bildnis Ludwigs XVIII., zu tragen.
Zeigten schon die militärischen Einrichtungen den Wilhelm II. eigen
tümlichen Mangel an Traditionssinn, so trat dieser noch mehr zutage
bei der bald danach in Angriff genommenen Reform der Zivilver
waltung. Man hatte gehofft, der Kurfürst werde nach dem alten
Brauche seiner Vorfahren, dem auch sein Vater noch gefolgt war, beim
Regierungsantritt die Landstände berufen und mit ihnen zusammen das
Wohl des Landes beraten. Zur großen Enttäuschung namentlich des
die ständischen Rechte besonders betonenden Adels geschah aber nichts
dergleichen, und auch die große Verwaltungsreform erfolgte lediglich