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Napoleons Rückkehr Feldzug von 1815
der Erfüllung seines Wiener Versprechens Ernst machte, durste man
nicht an ihrer Aufrichtigkeit zweifeln. Mit großen Erwartungen begannen
so die Landstände ihre Arbeiten, als plötzlich durch beunruhigende Nach
richten aus Frankreich das allgemeine Interesse sich wieder nach einer
andern Seite richtete.
Am selben Tage, da der Landtag eröffnet wurde, war, wie Jakob
Grimm aus Wien meldete, „der eingetane Wolf aus Elba entronnen",
und 14 Tage später erfuhr man in Cassel, daß Napoleon mit seinen
zahlreich zusammenströmenden Anhängern im schnellen Marsch auf
Paris begriffen sei. Ein heilsamer Schrecken befiel die noch in Wien
in unfruchtbarem Hader liegenden Parteien, die sich nun aufs neue zum
Kampf gegen den Friedensstörer Europas rüsteten. Kurfürst Wilhelm,
der die Flucht Napoleons öfters vorausgesagt hatte, erklärte sich sofort
bereit, mit seinen Hessen an dem neuen Kriege teilzunehmen, die binnen
wenigen Tagen schlagfertig sein würden. Nach dem Kriegsplan der
Verbündeten sollten die kleineren norddeutschen Staaten insgesamt nur
8000 Mann aufstellen. Trotzdem brachte Kurhessen, das nach allgemeiner
Ansicht im letzten Feldzug „iveit über seine Kräfte angestrengt worden
war", allein 12 000 Mann auf die Beine. Von England waren Sub-
sidien in Aussicht gestellt, wofür die Hessen unter Wellington fechten
sollten. Das wurde aber von Preußen hintertrieben, das die militärische
Oberleitung über das hessische Kontingent nicht aus der Hand geben
wollte. So wurden die Hessen schließlich dem bunt zusammengewürfelten,
von dem preußischen General v. Kleist kommandierten Norddeutschen
Bundeskorps zugeteilt, dessen stärksten und schlagfertigsten Teil sie
ausmachten. Die Brigade des Generalmajors v. Müller brach zuerst
am 5. April von Hanau nach Koblenz auf, am 21. folgte die zweite
Kolonne unter dem Prinzen von Solms-Braunfels. Den Oberbefehl
über die gesamten Truppen führte der Generalleutnant Engelhard aus
der ehemaligen Prager Umgebung des Kurfürsten, der nach der Er
krankung des Generals v. Kleist zeitweise auch das ganze Norddeutsche
Bundeskorps kommandierte. Wieder war es im wesentlichen ein Festungs
krieg, zu dem die Hessen berufen waren, während die englisch-preußischen
Truppen in Brabant die entscheidenden Schläge gegen Napoleon führten.
Nach der Schlacht bei Waterloo, die in Cassel durch einen Salut von
101 Kanonenschüssen und Tedeum gefeiert wurde, erhielten die Hessen
den Auftrag, die französischen Maasfestungen zu bekennen. Als erste
mußte Sedan nach einem Bombardement kapitulieren. Dann wurde
das feste Mezieres belagert und am 29. Juni sein stärkster Außenposten