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kommen muß. Unsere früheren Ausführungen über das Wesen der Tuber-
kulose sollen den Eisenbahnern die ersten Anzeichen und den Verlauf der
Tuberkulose einschärfen, damit sie nicht aus Unwissenheit den günstigsten
Zeitpunkt, geheilt zu werden, verpassen.
Die zweite Bedingung ist, daß der Tuberkulöse mit seinem
Leiden vor die richtige Schmiede, d. h. in die richtige Behandlung
kommt. Ein Allheilmittel gegen die Tuberkulose besitzen wir noch nicht
und sind anscheinend auch noch weit davon entfernt. Auch die Heilstätte
ist das Allheilmittel nicht; aber sie bietet vor allen anderen Behandlungs-
methoden der Tuberkulose einer großen Zahl von Kranken die meisten Aus-
sichten, durch eine gewissenhaft und lange genug durchgeführte Kur im
Anfangsstadium der Tuberkulose geheilt oder, wenn Heilung nicht mehr
möglich. zum wenigsten erheblich gebessert und auf Jahre hinaus wieder
arbeitsfähig zu werden.
Heilstätten-
behandlung.
Die Heilstättenbehandlung im einzelnen zu schildern,
entspricht nicht dem Zweck dieses Schriftchens. Hier genüge
der Hinweis, daß die Heilstätte mit den altbewährten Heil-
kräften der Natur — Licht, Luft und Wasser —, mit einer kräftigen und
reichlichen Ernährung und einer geregelten Verteilung von körperlicher
Ruhe und Bewegung die im Kampfe gegen den Tuberkelbazillus unter-
legene Widerstandskraft des Körpers und der,Lunge wieder zu beleben
und zu stärken sucht. In der Mehrzahl der beginnenden Tuberkulosefälle
gelingt es: der Körper überwindet die Krankheit!
Bei den über das Anfangsstadium hinaus vorgeschrittenen Tuberkulose-
erkrankungen genügt aber die Heilstättenbehandlnng allein nicht; oder sie
läßt nicht den sicheren Stillstand des Leidens erzielen. Die Heilstätten
suchten daher fortgesetzt nach weiteren brauchbaren Hilfsmitteln, um möglichst
vielen Tuberkulösen den bestmöglichen Kurerfolg zu verschaffen, und fanden
das Gute — man darf heute sagen: das Beste unter allen angebotenen
und nachgeprüften Medikamenten — in dem Tuberkulin.
Tuberkulin-
behandlung.
Das von Robert Koch entdeckte Tuberkulin ist das einzige
Tuberkulosemittel, das eine streng spezifische Wirkung auf den
Tuberkuloseherd im Körper ausübt. Diesem Umstande ver-
dankt es auch seine einzig dastehende Bedeutung, als Erkennungsmittel für
eine sonst noch nicht nachweisbare Tuberkulose zu dienen.
Das Tuberkulin wurde im Jahre 1890 seinem Entdecker zur Heraus-
gabe für Heilzwecke abgenötigt. Mit einer grenzenlosen Begeisterung als
Allheilmittel gegen die Schwindsucht aufgenommen, mußte es damals
im Stiche lassen. Wir wissen, daß die Schuld daran nicht an dem Tuber-
kulin lag, sondern an seiner unzweckmäßigen Anwendung bei den bis zur
Unheilbarkeit vorgeschrittenen Schwindsuchtsfällen. Man hatte nicht auf
Robert Koch gehört und seine Vorschriften unbeachtet gelassen.