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Der Internationale Herold.
gegebenen Mittel zu begegnen, oder wenigstens ihr Wirken in
seinen Zusammenhängen zu verstehen. Ueberall begegnet er ge
heimnisvollen Mächten und Erscheinungen, deren Wirken sein
Wohl oder Wehe bestimmt; an den Boden gefesselt, abhängig
von den unwandelbaren Jahreszeiten, ohnmächtig, das Resultat
seiner Arbeiten zu beschleunigen oder zu verzögern, reagiert er
mit verhältnismäßig wenig zahlreichen und abwechslungsvollen
Handlungen auf die jeweiligen, in gleicher Folge stets wieder
kehrenden Gebote der Jahreszeiten. Weniger als andere fühlt er
sich als Schöpfer seiner Umgebung, neigt er zu kühnen Ver
suchen und Wagnissen, sucht er die Materie zu erforschen und
zu gestalten. So hat er den geringsten Anteil an dem Auf
schwung der Künste und Wissenschaften zu verzeichnen und
ist er, konservativ bis auf die Knochen, der zuverlässigste und
stärkste Träger des Ideales der Religion geblieben; nirgends
findet die geistliche Autorität eine so günstige Stätte, als in
entlegenen, einsamen Landgemeinden.
Mit dem Aufstiege des Bürgertums wurde eine Reformation
der Kirche unvermeidlich, und seither hat sie krampfhafte An
strengungen gemacht, sich durch stets neue Modernisierung den
schnell wandelnden Verhältnissen anzupassen und mit dem Fluge
der Zeiten einigermaßen Schritt zu halten. Der freie Wettbewerb
auf wirtschaftlichem Gebiete hat die Kirche nicht unberührt ge
lassen. Sie hat ihn in das Recht der freien Auslegung ihrer
überlieferten Lehre verwandelt und sich dadurch anpassungs
fähig gemacht, allerdings auf Kosten der geistlichen Autorität.
Die einschneidendste Aenderung für sie ergab sich aber aus
der Auflösung jener starren Klasseneinteilung, die die mensch
liche Gesellschaft als ein unveränderliches Schema erscheinen
ließ; solange jeder überhaupt beachtenswerte Mensch sein ge
sellschaftliches Abzeichen offen trug und den bei der Geburt
empfangenen Stempel nicht wieder verleugnen oder verlieren
konnte, war es ziemlich leicht, die Beziehungen zu den einzel-