Pazifismus und Pädagogik.
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und Gut abnehmen und jeder Ritterburg und Stadt Fehde an-
sagcn. In den darauffolgenden Jahrhunderten glaubte der kleine
Duodezfürst und Bischof wegen Rechtsstreitigkeiten Krieg führen
zu dürfen — aber doch hat sich nach und nach überall eine
höhere Staatsgewalt Geltung verschafft und die streitenden Par
teien versöhnt.
Nur die Nationen behaupten noch, sie könnten ihre Lebens
interessen und ihre Ehre nicht einer gerichtlichen Entscheidung
unterwerfen. Das Schwert müsse die letzte Entscheidung be
halten. Äber auch hier wird man auf die neusten pazifistischen
Fortschritte hinweisen. Die Völkerbunds Versammlung in Genf
hat am 15. Oktober 1921 einen Staatsgerichtshof eingerichtet,
und vierzehn Regierungen haben die obligatorische Kompetenz
des Gerichtshofes für sämtliche Rechtsstreitigkeiten angenommen.
Zwischen diesen Staaten wird kein Krieg mehr stattfinden. Sie
werden ihre Händel dem Staatsgerichtshof vorlegen und sich
dem Urteilsspruch fügen. Für die Großmächte Frankreich, Eng
land, Japan usw. ist die Kompetenz nur fakultativ. Zwischen
ihnen kann es noch zum Krieg kommen, wenn es die Lebens
interessen und die Ehre fordern. Ernstliche Absichten für die
Völker Versöhnung auch den Großmächten gegenüber zeigt Ame
rika. Von Washington aus will man einen Kreuzzug gegen die
Weltmächte durch Forderung der Äbrüstung eröffnen.
Mancher deutsche Jüngling meint nun auch heute
noch, er müsse sein Recht und seine Ehre und ebenso das
Recht und die Ehre des Vaterlandes mit dem Schwerte in der
Hand verteidigen — im Duell und im Kriege. Mut, Entschlossen
heit und Tapferkeit des Jünglings sollen immer hochgehalten
werden. Die Erziehung zur Völkerversöhnung verlangt aber auch
keine ehrlose Unterwerfung unter unbillige Forderungen, keine
Liebedienerei dem Äuslande gegenüber. Die Erziehung zur
Völkerversöhnung stellt das Ideal einer gerechten und vernünf
tigen Regelung der politischen Beziehungen zwischen den Kultur-