Pazifismus und Pädagogik.
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formen gefehlt. Beim Austausch der materiellen und geistigen
Güter mit andern Nationen hätten wir es nicht verstanden, jene
innige Bande zu knüpfen, durch die wir den Menschen unent
behrlich werden. Wir seien auf dem Weltmärkte als Erzeuger
wie Abnehmer nur als Konkurrenten aufgetreten und hätten der
Welt in jedem Monate vorgerechnet, welche Nationen wir hier
auf diesem Gebiete und dort auf dem andern wieder überflügelt.
Trotz unserer vielgestaltigen Kenntnisse des internationalen
Lebens hätten wir keine Fühlung und damit kein rechtes Ver
ständnis für die Völker und ihr wirtschaftliches Leben gewonnen.
Wir konnten nicht Maß halten, ließen uns von unseren Inter
essen beherrschen, anstatt sic zu beherrschen. Achnlichc Urteile
sind allerdings auch über die Franzosen, Engländer, Ameri
kaner usw. in der Leute Mund. Wir können darauf nicht weiter
eingehen. Ich halte cs mit Lessing, wenn er sagt: „Ich liebe
nicht allgemeine Urteile über ganze Völker“. Und ebenso, wenn
er in seinem „Nathan“ hinzufügt: „Ich weiß, wie gute Menschen
denken, weiß, daß alle Länder gute Menschen tragen“. Aber
soviel ist wohl sicher: daß an der nichtswürdigen Art, mit
welcher jetzt unsere Feinde uns behandeln, wenn sie uns drang
salieren und wegwerfend sagen: es sind ja nur Deutsche —,
daß unser mangelhaftes Benehmen daran mit Schuld ist.
Mehr Würde, mehr Anstand und Höflichkeit muß in
unserer Erziehung zur Geltung kommen. Wie im Einzelleben,
so ist im Völkcrleben die Disziplinierung, die Zähmung
der Triebe, die Selbstbeherrschung und Rücksichtnahme auf die
anderen, daß jedem sein Recht werde, der erste und wichtigste
Teil der Erziehung. Wenn auch die Formen der Höflichkeit
nur äußere Formen sind, sie ebnen der positiven Erziehung,
die wir im Völkerverkehr als Zivilisicrung, wodurch der
Mensch mit anderen verkehren lernt, dann als Kultivierung,
die ihn zu höherer Zwecken geschickt macht, und als Morali-
sierung, indem der Menschen vernünftige Natur zur vollen