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Der Internationale Herold.
Klassen. Das wird umso schwerer ins Gewicht fallen, je selb
ständiger der Staat in der Nation ist, und auch das hängt letzten
Endes von dem Verhältnisse der einzelnen Klassen zum Staate ab.
In der absoluten Monarchie war es das Bestreben des Herr
schers, sich mit Hilfe seiner sogenannten Hausmacht und der
Staatseinrichtungen über alle Klassen zu erheben und sich einen
beträchtlichen Grad von Unabhängigkeit zu sichern; durch sich
und in sich den Staat suprem in der Nation zu machen. Das
gelang aber nur in Ausnahmefällen, besonders wenn sich Herr
scher und Staat infolge von Kriegen auf eine starke und zuver
lässige Armee stützen und also gewissermaßen eine Militärdiktatur
errichten konnten. Gewöhnlich war der Monarch in der feudalen
Gesellschaftsordnung lediglich Vertreter des mächtigen Adels,
dem er als „primus inter pares“ galt, soweit sich dieser nicht
überhaupt abseits hielt, auf seinen ausgedehnten Besitzungen seine
eigene Herrschaft führte und dadurch den Staat beträchtlich
schwächte. Erst als dem Adel in dem Bürgertum ein wirt
schaftlich selbständiger und mächtiger Rivale erstand und zur
Erlangung politischer Rechte und politischen Einflusses ge
meinsame Sache mit dem Staate und dessen Lenker, dem
Monarchen, machte, konnte dieser die Rivalen gegeneinander
ausspielcn und somit die eigene Unabhängigkeit und Macht
erheblich festigen. Die Geschichte Europas zeigt in zeitlich
weit auseinanderliegenden ,und dadurch um so beweiskräf
tigeren Beispielen, daß eine Aussöhnung der wirtschaftlich
herrschenden Klassen das Ende des monarchisch geleiteten
Staates, mindestens aber des Absolutismus der Monarchie
bedeutet; Vorgänge, die von der Magna Charta des englischen
Volkes, über die französische Revolution, die deutschen Ver
fassungskämpfe bis zu den Ereignissen in Rußland zu Anfang
dieses Jahrhunderts immer denselben Charakter und dieselben
Folgen gehabt haben. Je vollkommener die Aussöhnung und
Verschmelzung der beiden Klassen war, um so größer wurde