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Der Internationale Herold.
Willen zu leiten, kurz, eine Regierung zu bilden sucht, wobei
ein einzelner oder eine kleine Gruppe gewöhnlich die Macht mehr an
sich reißt, als von den anderen durch freiwillige Uebertragung
erhält. Für das gemeinschaftliche Leben genügt nicht die im
vorigen Aufsätze beschriebene persönliche oder wirtschaftliche
Abhängigkeit der Unterlegenen von den einzelnen Mitgliedern der
herrschenden Klasse, sondern diese suchen ihren gemeinsamen
Willen als Klasse allen anderen, ebenfalls als Klassen, aufzu
zwingen. Der Kampf, der zwischen einzelnen Menschen oder
kleinen Gruppen, wie Familien, Sippen usw. geführt, die Ge
sellschaftsordnung zum Resultate hatte, geht nunmehr zwischen
den Klassen weiter und führt zur Bildung des Staates. So selten
als eine ganze Klasse die Regierung gemeinsam führen wird,
ebenso selten werden die zur Regierung Gelangenden sich von
allen Klassen trennen und als neue, selbständige Klasse auf-
treten; gewöhnlich werden die zur Regierung Gelangenden Mit
glieder der herrschenden Klasse sein und, trotz aller Versuche
zur Selbständig- und Unabhängigmachung, auch bleiben. Die
Bestrebungen absolutistischer Monarchen nach dieser Richtung
hin sind geschichtlich bekannt, aber nur selten konnte einer
mit gleichem Rechte wie LouisXIV. behaupten: „l’etat c’est moi“,
noch seltener durfte einer solche Behauptung wagen.
Wie das Prinzip des Willens zur gegenseitigen Hilfe die
Grundlage jeder Organisation bildet, regelt es auch in erster
Linie das Verhältnis zwischen dem Staate und der herrschenden
Klasse, auf die er sich stützt, und die er in erster Linie ver
tritt, und, wie das Verhältnis zwischen der herrschenden und
den abhängigen Klassen vornehmlich durch das Prinzip des
Willens zur Macht geregelt wird, so auch das Verhältnis
zwischen dem Staate und allen Klassen, die ihre Interessen
durch jenen eher bedroht als gesichert erachten. Je mehr also
der Staat nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit strebt, um
so mehr muß er sich auf seine eigenen Machtmittel stützen