Full text: Der internationale Herold (1. Jahrg. 1922)

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Der Internationale Herold. 
Willen zu leiten, kurz, eine Regierung zu bilden sucht, wobei 
ein einzelner oder eine kleine Gruppe gewöhnlich die Macht mehr an 
sich reißt, als von den anderen durch freiwillige Uebertragung 
erhält. Für das gemeinschaftliche Leben genügt nicht die im 
vorigen Aufsätze beschriebene persönliche oder wirtschaftliche 
Abhängigkeit der Unterlegenen von den einzelnen Mitgliedern der 
herrschenden Klasse, sondern diese suchen ihren gemeinsamen 
Willen als Klasse allen anderen, ebenfalls als Klassen, aufzu 
zwingen. Der Kampf, der zwischen einzelnen Menschen oder 
kleinen Gruppen, wie Familien, Sippen usw. geführt, die Ge 
sellschaftsordnung zum Resultate hatte, geht nunmehr zwischen 
den Klassen weiter und führt zur Bildung des Staates. So selten 
als eine ganze Klasse die Regierung gemeinsam führen wird, 
ebenso selten werden die zur Regierung Gelangenden sich von 
allen Klassen trennen und als neue, selbständige Klasse auf- 
treten; gewöhnlich werden die zur Regierung Gelangenden Mit 
glieder der herrschenden Klasse sein und, trotz aller Versuche 
zur Selbständig- und Unabhängigmachung, auch bleiben. Die 
Bestrebungen absolutistischer Monarchen nach dieser Richtung 
hin sind geschichtlich bekannt, aber nur selten konnte einer 
mit gleichem Rechte wie LouisXIV. behaupten: „l’etat c’est moi“, 
noch seltener durfte einer solche Behauptung wagen. 
Wie das Prinzip des Willens zur gegenseitigen Hilfe die 
Grundlage jeder Organisation bildet, regelt es auch in erster 
Linie das Verhältnis zwischen dem Staate und der herrschenden 
Klasse, auf die er sich stützt, und die er in erster Linie ver 
tritt, und, wie das Verhältnis zwischen der herrschenden und 
den abhängigen Klassen vornehmlich durch das Prinzip des 
Willens zur Macht geregelt wird, so auch das Verhältnis 
zwischen dem Staate und allen Klassen, die ihre Interessen 
durch jenen eher bedroht als gesichert erachten. Je mehr also 
der Staat nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit strebt, um 
so mehr muß er sich auf seine eigenen Machtmittel stützen
	        
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