Umschau (Französische versus englische Politik).
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ejropa; nimmt man dazu seine großen und konsequenten An
strengungen in Kleinasien und Nordafrika, so kann man kaum
noch zweifeln, daß man es hier mit einer Neubelebung der
Napoleonischen Wcltmachtspläne, allerdings in neuzeitlicher
Gestalt, zu tun hat. Wie stets in seiner Geschichte geht Frank
reich von der Erweiterung seines politischen Einflusses und
seiner Staatsgewalt aus in der Annahme, die wirtschaftliche
Gestaltung werde dann ohne weiteres folgen. Ein Gedanke, der
sich wiederholt als falsch erwiesen hat, der aber, ehe er wiede
rum aufgegeben werden muß, unsägliches Unheil anrichten kann,
wenn es nicht gelingen sollte, die französische Politik in andere
Bahnen zu lenken oder, wenn es sein muß, zu drängen. Das
ist die Aufgabe, die Amerika und besonders England zu be
werkstelligen haben. Die Regierungen wahren noch ihre korrekte
Haltung und erklären bei jeder Gelegenheit ihr völliges oder
herzliches Einvernehmen, täuschen damit aber niemanden mehr.
Die Presse spricht schon eine viel offenere Sprache und hie
und da werden Stimmen laut, die die alte Feindschaft bereits
wieder in voller Glut erblicken lassen. Man braucht diesen keine
allzugroße Bedeutung beizumessen, darf sie aber auch nicht
gänzlich übersehen. Die Schriften des deutschen Generals Bern
hard! wurden in seiner Heimat wenig beachtet, galten aber der
übrigen Welt als ein klarer Spiegel der deutschen Denkweise
und Stimmung, ähnlich darf man das Buch des französischen
Obersten Charles Gautier — „l’Angleterre et Nous“ — betrachten,
das zweifellos trotz mancher Uebcrtrcibungen den Grundton der
französischen Imperialisten gegenüber England richtig erkennen
läßt. Das Leitmotiv ist: England behauptet seine Stellung unter
den Mächten der Welt lediglich durch seinen Bluff; wirkliche
Macht steckt nicht dahinter; Frankreich braucht nur furchtlos
zuzufassen, um den tönernen Koloß zu Falle zu bringen. Das
ist jene verhängnisvolle Verkennung der wirtschaftlichen Kräfte,
auf denen das britische Weltreich beruht, und die den milita