Full text: Der internationale Herold (1. Jahrg. 1922)

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Der Internationale Herold. 
ist umgekehrt Goethe, der Zeit seines Lebens der Idee der 
Weltliteratur zugeneigt, mit Leidenschaft sich den Literaturen 
der fremden Völker, insonderheit der Franzosen und Engländer 
zuwandte, und so z. B. bezüglich der Franzosen gegenüber 
Schumann bekannte, wie er dazu kommen solle, die Franzosen 
zu hassen, denen er doch so unendlich viel verdanke, und die 
zu den kultiviertesten Nationen der Welt gehörten. In gleicher 
Weise ringt heute in Deutschland Fr. W. Foerster unermüdlich 
um das Verständnis der Seelen der fremden Völker, und was 
er in seinen Werken, Broschüren und Zeitungsaufsätzen für die 
Verbreitung des Verständnisses der Psychologie der fremden 
Völker getan hat, kann gar nicht rühmend genug hervorgehoben 
werden. Das ist in der Tat eins der größten Verdienste des so 
trefflichen Mannes. Ach in denke, in früheren besseren Tagen 
war es deutscher Ruhm, aufgeschlossen zu sein für das Geistes 
leben der fremden Völker, wie denn z. B. die Reclam’schc 
Universalbibliothek mit ihren vielen tausenden von Bänden und 
ihren trefflichen Uebersetzungen der hervorragendsten Werke 
der Literaturen der ganzen Welt ihresgleichen auf dem ganzen 
Erdball nicht hat. Diese unsere Aufgeschlossenheit für das 
Geistesleben der fremden Völker war aber in der Zeit vor dem 
Kriege und im Kriege mehr und mehr zurückgegangen, der 
nationalistische Ichkrampf wirkte auch hier lähmend, so daß man 
schließlich nur jenen karikierten Popanz sah, den man sich von 
den fremden Völkern zurecht machte, John Bull, Marianne usw. 
Und auf der anderen Seite war’s nicht anderes bezüglich der 
Deutschen, Oesterreicher usw. 
In der Tat, es ist allerhöchste Zeit, daß alle Völker mit 
Ernst und Eifer daran gehen, die Mauer von Verlogenheit, 
Mißtrauen, Selbstgerechtigkeit abzureißen, die ihnen den Weg 
zum Verständnis der Seele der fremden versperrt. Das ist der 
Weg, der allein das Abendland vom Untergang erretten kann. 
Dieser Weg aber ist zugleich der Weg der religiös-sittlichen
	        
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