Full text: Der internationale Herold (1. Jahrg. 1922)

Ueber Geschichtsauffassung. 
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schaftsleben ruhig dahinfließt, erscheint das als sehr einfach und 
natürlich, wird aber der ruhige Wirtschaftsgang unterbrochen, 
dann tritt das künstliche Wesen des Vorganges zutage. Während 
des Krieges und später hat mancher zu seiner Verwunderung 
erfahren, daß der ideelle Wert eines Gegenstandes zur Befrie 
digung eines Bedürfnisses sehr verschieden sein kann von seinem 
Werte als Produktionsmittel, wenn er z. B. erlebte, daß er für 
kein Geld eine schmackhafte, nahrhafte Mahlzeit kaufen konnte, 
um seinen Hunger zu stillen.*) 
Indem der Mensch lernte, den Gebrauch seiner Gliedmaßen 
durch Verwendung von Gegenständen zu vervollkommnen oder 
zu ersetzen, schuf er sich Werkzeuge, die gewöhnlich, aber 
— wie wir gesehen haben — irrtümlicherweise, allein als 
Produktionsmittel gelten; selbstverständlich können auch diese, 
z. B. dem Werkzeugfabrikanten, als Endziele der Arbeit erscheinen. 
Der eigentliche Zweck aller Werkzeuge ist die Erleichterung oder 
Verkürzung der Arbeit oder die Erzeugung von mehr oder besseren 
Arbeitsprodukten, so entstand „das Ideal der Arbeitsersparnis“. 
Diese mag sich auf ein, mehrere oder alle Elemente der Arbeit er 
strecken, also eine Ersparnis an Zeit, Muskelkraft oder Geistesbetäti 
gung sein. Dieses Ideal der Arbeitsersparnis hat zu den größten 
Errungenschaften und Wundern der Technik geführt, zu der Ent 
wicklung von der Steinaxt zum Dampfhammer und zur hydrau 
lischen Presse, von dem Bogen und Pfeil zur neuesten 42 cm 
Haubitze oder dem 150 km weit tragenden Geschütze. Durch 
diese Vervollkommnung der Werkzeuge sind aber auch noch 
ganz andere Resultate erzielt worden, denn sie hat sich als eine 
große Gleichmacherin und Ausgleicherin erwiesen, indem sie 
schwache Frauen und selbst zarte Kinder instand setzte, dieselben 
Arpeitsprodukte wie ein kräftiger Mann in der gleichen Zeit zu 
*) In einer späteren Äufsatzreihe finden wir vielleicht Gelegenheit, 
von diesem und anderen Ausgangspunkten, die wir noch kennen lernen 
werden, unser Wirtschaftssystem zu untersuchen.
	        
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