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Der Internationale Herold.
Darum ist es durchaus verkehrt, der Konferenz von Genua
jeden Wert abzusprechen, weil die Reparationsfrage dort nicht
als solche erörtert werden soll und weil sich die Entente —
auch England — nach wie vor auf den Standpunkt stellt,
Deutschland müsse die Kriegsschäden bis zur Grenze seiner
Leistungsfähigkeit vergüten. Gerade Deutschland kann das
Unternehmen mächtig fördern, indem cs seinen Einfluß an
wendet, um den Widerstand Rußlands auszuschalten. Die als
Objekt des gemeinsamen Unternehmens ins Äuge gefaßten Ge
biete, vor allen Rußland, fürchten eine Einmischung in ihre
Hoheitsrechte und eine Kolonisierung, und werden natürlich alles
aufbieten, die Unternehmer zu trennen und gegeneinander aus
zuspielen, um sich größere Vorteile zu sichern. Ärgwöhnisch
beobachtet man die Versuche Frankreichs, möglichst unauf
fällige Beziehungen zu den verhaßten Bolschewisten anzuknüpfen;
hie und da munkelt man von geheimen Vereinbarungen zwischen
Moskau und Berlin. Ällein kann keines dieser Länder die ge
waltige Äufgabc lösen, aber jeder Versuch, sich geheime Sonder
vorteile zu sichern, kann das ganze Unternehmen schwer ge
fährden. Jetzt muß sich zeigen, wie weit die Gegner von gestern
sich heute trauen dürfen.
Zum Schlüsse noch eine andere kurze Betrachtung. Das
internationale Großkapital rüstet sich ganz offensichtlich, die
Herrschaft über enorme Gebiete anzutreten. Eine Ironie des
Schicksales fügt es, daß gerade das Land, in dem der Kommu
nismus sich durchzusetzen begonnen hat, zum besonderen Är-
beitsfelde des Kapitalismus ausersehen ist. Der Äusgang kann
nicht zweifelhaft sein; was den Söldnerheeren, den Boykotten
und anderen brutalen Machtmitteln nicht gelungen ist, wird den
Lockungen des Kapitales gelingen. Heute ist es zu spät, etwas
daran zu ändern; unmittelbar nach dem Kriege hatte das Prole
tariat die Möglichkeit, seine Ideale zu verwirklichen, das Beispiel
Rußlands nachzuahmen, das auf jenes unentwickelte Land be