Wirtschaftliche Nöte und Hoffnungen.
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Verluste bieten kann. Von allen für die Beteiligung an der
großen Aufgabe in Frage kommenden Ländern hat Deutschland
die dringendste Veranlassung, sich mit allen Kräften für ihr
Gelingen einzusetzen und sie großzügig aufzufassen mit Hintan
setzung aller kleinlichen Erwägungen von .Augenblickserfolgen.
Jeder wahre Freund des deutschen Volkes und seiner echten
Kultur muß mit Bedauern wahrnchmen, daß die Ansicht täglich
an Boden gewinnt, als sei Deutschland das einzige beklagens
werte Opfer des Krieges und habe die übrige Welt die moralische
Verpflichtung, es für ihm zugefügtes Unrecht zu entschädigen.
Ohne das Kapitel von der Kriegsschuld anzuschneiden, vergesse
man doch nicht, welches Los man den feindlichen Staaten im
Falle eines Siegfriedens zugedacht hatte, und daß ein sehr be
trächtlicher Teil der Reparationsforderungen nicht auf Haß und
Habgier der früheren Feinde, sondern auf den unverantwortlichen
Vandalismus der deutschen Kriegsführung zurückzuführen ist
und in den grauenhaften, unnötigen Verwüstungen eine unan
fechtbare Berechtigung findet. Wer sich die Stimmung und
Gedankenwelt der führenden Kreise des deutschen Volkes ver
gegenwärtigt, solange man an dem siegreichen Ende des Krieges
nicht zweifelte, der muß dem deutschen Volke jede moralische
Berechtigung zu Klagen über allzuharte Behandlung von Seiten
der Sieger absprechen. Die sich langsam bahnbrechende Er
kenntnis, daß nicht Vergeltung, sondern gemeinsames Wirken
zur Beseitigung der allen drohenden Not das oberste Prinzip
sein muß, kann gar nicht freudig genug begrüßt werden, aber
Deutschland darf darin keine Rechtfertigung erblicken oder
glauben, es dürfe das Mitleid und die Hilfe anderer in erster
Linie für sich beanspruchen. Die deutsche Notlage ist zum
weitaus größten Teile selbstverschuldet, jeder Anspruch auf Hilfe
muß sich gründen auf eine Umkehr von den früheren Wegen,
auf eine freudige Bereitwilligkeit, das Geschehene nach Möglich
keit gutzumachen und an der gemeinsamen Aufgabe mitzuarbeiten.