Full text: Der internationale Herold (1. Jahrg. 1922)

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Der Internationale Herold 
seltenen Ausnahmen. Diese werden alles, was hier gesagt wurde, 
aus eigener Erfahrung betätigen, aber die meisten, denen solche 
Erfahrung abgeht, werden sich einen derartigen Zustand des 
Geistes kaum vorstellen können. Interessengemeinschaft und Ver- 
trautheit mit anderen Ländern und Völkern werden internatio- 
nales Denken und internationale Veranlagung so natürlich er- 
scheinen lassen als Vaterlandsliebe. Der J. H. soll der Förde= 
rung beider dienen, er wird sich bemühen, die Völker einander 
zu zeigen in dem Alltagsleben des einzelnen, so daß ein jedes 
wird glauben können, sich in einem Spiegel zu erblicken, und 
er wird unermüdlich sein in seinen Bemühungen, mißverstandene 
oder nur vermeintliche Interessengegensätze aufzuklären, Mittel 
und Wege zum Ausgleiche wirklicher Gegensätze zu finden und 
die zahlreichen, tatsächlich bestebenden Interessengemeinschaften 
in helles Licht zu rücken, um sie deutlich erkennbar zu machen. 
Damit soll keineswegs gesagt sein, daß die selbst zwischen 
Völkern Westeuropas bestebenden Unterschiede und Abweichungen 
kaum wahrnehmbar oder nebensächlich seien, denn das sind sie 
nur vergelichsweise, nämlich in der Gegenüberstellung mit den 
gemeinsamen Anschauungen und Denkweisen. Auch wenn einem 
die internationale Denkweise und Gefühlswelt zur zweiten Natur 
geworden ist, wird man Licht und Schatten wahrnehmen, nur 
ihre Verteilung wird verschieden sein, denn man wird sie bei 
allen Völkern nebeneinander finden, nicht mehr nach nationalen 
Merkmalen verteilt wähnen. Es mag Schwärmer geben, die in, 
ihrem Eifer für die Aussöhnung und Verständigung der Völker 
den Blick für diese Verteilung von Licht und Schatten verlieren 
und glauben, jede nationale Eigenart anderer Völker verteidigen 
und dem eigenen Volke als schönes Beispiel preisen zu müssen; 
ich bin keinem solchen begegnet und würde seine Methode nicht 
empfehlen. Wohl aber ist mir der Typus des Nationalgesinnten 
recht bekannt, der jede Eigenart des eigenen Volkes als höchste 
Zier und Tugend darstellt und bei anderen Völkern kaum eine
	        
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