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Der Internationale Herold
seltenen Ausnahmen. Diese werden alles, was hier gesagt wurde,
aus eigener Erfahrung betätigen, aber die meisten, denen solche
Erfahrung abgeht, werden sich einen derartigen Zustand des
Geistes kaum vorstellen können. Interessengemeinschaft und Ver-
trautheit mit anderen Ländern und Völkern werden internatio-
nales Denken und internationale Veranlagung so natürlich er-
scheinen lassen als Vaterlandsliebe. Der J. H. soll der Förde=
rung beider dienen, er wird sich bemühen, die Völker einander
zu zeigen in dem Alltagsleben des einzelnen, so daß ein jedes
wird glauben können, sich in einem Spiegel zu erblicken, und
er wird unermüdlich sein in seinen Bemühungen, mißverstandene
oder nur vermeintliche Interessengegensätze aufzuklären, Mittel
und Wege zum Ausgleiche wirklicher Gegensätze zu finden und
die zahlreichen, tatsächlich bestebenden Interessengemeinschaften
in helles Licht zu rücken, um sie deutlich erkennbar zu machen.
Damit soll keineswegs gesagt sein, daß die selbst zwischen
Völkern Westeuropas bestebenden Unterschiede und Abweichungen
kaum wahrnehmbar oder nebensächlich seien, denn das sind sie
nur vergelichsweise, nämlich in der Gegenüberstellung mit den
gemeinsamen Anschauungen und Denkweisen. Auch wenn einem
die internationale Denkweise und Gefühlswelt zur zweiten Natur
geworden ist, wird man Licht und Schatten wahrnehmen, nur
ihre Verteilung wird verschieden sein, denn man wird sie bei
allen Völkern nebeneinander finden, nicht mehr nach nationalen
Merkmalen verteilt wähnen. Es mag Schwärmer geben, die in,
ihrem Eifer für die Aussöhnung und Verständigung der Völker
den Blick für diese Verteilung von Licht und Schatten verlieren
und glauben, jede nationale Eigenart anderer Völker verteidigen
und dem eigenen Volke als schönes Beispiel preisen zu müssen;
ich bin keinem solchen begegnet und würde seine Methode nicht
empfehlen. Wohl aber ist mir der Typus des Nationalgesinnten
recht bekannt, der jede Eigenart des eigenen Volkes als höchste
Zier und Tugend darstellt und bei anderen Völkern kaum eine