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braucht ihr nicht zu verzagen. Ungerechtigkeiten, wie sie das
deutsche Volk im letzten Jahre ertragen mußte, duldet das
Völkerrecht au! die Dauer nicht. Denkt daran zu eurem Tröste,
wie Napoleon Europa geknebelt hatte und wie seine Fangarme
über den ganzen Kontinent gingen und wie doch kleine Fehler
bei seinen Berechnungen schließlich mit einem Schlage sein
ganzes System zu Fall brachten. Das muß euch die sichere
Gewißheit geben, daß das künstliche Gebäude, das eine feind
liche, zufällige Koalition gegen euch errichtet hatte, zusammen
brechen wird. Denkt weiter daran, was englische Zeitungen
ihren Lesern predigen; In einem Völkerkrieg hat ein Volk nur
dann den Krieg gewonnen, wenn es auch den Frieden zu ge
winnen vermag. Darauf kommt es an. Seht euch doch einmal
das Gegenbild an, prüft, wie die Frage vom Standpunkt eurer
Gegner aus zu entscheiden ist. Können eure Gegner sich rühmen,
gesiegt zu haben, solange noch nicht wirklich Frieden in Europa
herrscht? Sieg ohne Frieden ist wahrhaftig kein Sieg! Wenn
ihr also auch als unumstößliche Tatsache hinnehmen mögt,
daß ihr den Krieg verloren habt, so müßt ihr euch doppelt
und dreifach anstrengen, um den Frieden zu gewinnen, alle
Volksglieder müssen da mitschaffen. Der staatliche Organismus
ist genau so wie ein* menschlicher Körper, er kann sich nur
dann wohlfühlen, wenn alle Organe in voller Funktion sind.
Wie der Körper schwach wird, wenn das Herz oder die Leber
oder die Milz oder der Magen den Dienst versagen, so wird
auch der Staat notleidend, wenn eins seiner Organe versagt.
Ihr habt glänzende Leistungen im Felde sowohl wie in
der Heimat unter dem eisernen Zwang eurer Militärs geleistet.
Rber darüber müßt ihr euch klar sein, daß der Heldensinn,
der euch im Rugust 1914 begeistert und einmütig zusammen
geschweißt hatte, sehr bald verloren ging, und daß die freudige
Rnspannung aller Kräfte sehr bald aufhörte, und daß nur ein
starkes Pflichtbewußtsein euch zusammenhielt. Rls Volk habt
ihr keine Heldentat vollbracht. Unendlich Großes habt ihr mili
tärisch und auch wirtschaftlich, an der Front und in der Heimat
geleistet, viele gewaltige Hcldenleistungen im einzelnen werden