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Politik. Eine lange Reihe Nachgiebigkeiten und Unterwerfung
erzeugt ein Gefühl von Verwirrung zu Hause und von Ver
achtung gegen die Nachbarn, und diese Gefühle sind die Vor
fahren des Kriegs. Der Friede ist am besten gesichert durch ’
eine feste Erhaltung des Laufes, welcher ausgehend von einem
entsprechenden Gefühl von Selbstachtung die Ächtung in anderen
erzeugt. Wenn Äristoteles in seiner Betrachtung der Tugenden
die Liebe des Friedens eingeschlossen hätte, so wagen wir zu
denken, daß er es als Mittel zwischen zwei Extremen gedacht
hat, ein hochmütiges Mißachten der Änsprüche anderer und ein
zu weites Entgegenkommen mit Konzessionen. Wenn er den Slang
von heute anwendet, würde er es bezeichnet haben als Mittel
blatt zwischen Jingoismus und Friede um jeden Preis.“
Ueber die Frage, wie Bismarck das Verhältnis der deut
schen zu der englischen Politik beurteilte, hat er sich freimütig
ausgesprochen gelegentlich eines Empfangs des Vertreters des „ Daily
Telegraph“, Beatty Kingston, in Friedrichsruh am 7. Juni 1890:
„Dank der Tripelallianz bin ich berechtigt, zu glauben und
offen diesen meinen Glauben zu bekennen, daß der Friede von
Europa fest verbürgt ist und daß die Fortdauer desselben für
eine lange Zeit wohl gesichert ist, es sei denn, daß der Äll-
mächtigc eine von jenen fürchterlichen Katastrophen uns senden
sollte, welche alle Voraussicht und vernünftige Berechnungen
zunichte macht. Was England und Deutschland betrifft, so sehe
ich es als eine Unmöglichkeit an, daß diese beiden Länder je
mals in Krieg, und als besonders unwahrscheinlich, daß sic
selbst in einen ernsten Zwist geraten könnten. Sollte es aber
dazu kommen, so könnte dies zu einem Konflikt auf dem Fest
lande führen, selbst wenn England keinen tätigen Änteil an dem
Kampfe, sei es zu Wasser oder zu Lande, gegen uns nehmen
sollte. Äber diese Möglichkeit ist ebenso unwahrscheinlich, als
daß wir das Schwert gegen England ziehen sollten. Natürlich
können Differenzen Vorkommen, wie in dieser afrikanischen
Kolonialsache, welche noch einer billigen Äusgleichung entgegen
sehen. Äber eine jede solche Differenz zwischen ihnen und uns
könnte nur von ganz unbedeutender Wichtigkeit sein im Ver-