Full text: Europäischer Frieden

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Bemerkung zu beurteilen. Es ist richtig, daß die Bildung des 
deutschen Kaiserreichs nichts getan hat, um die Kultur und das 
innere Glück des deutschen Volkes zu verstärken. Die Tage 
ruhiger Kultur und des Glückes sind vorbei und an ihrer Statt 
ist ein Ringen nach ehrgeizigen Ansprüchen gekommen, welches 
selbst an die Lebenskraft der teutonischen Rasse schwere An 
forderungen stellt. Gleichwohl, ob gut oder schlecht, die Einigung 
Deutschlands muß als das größte* Ereignis in der Geschichte 
des 19. Jahrhunderts gelten.“ 
Und ein anderer, Ward, führt aus: „Es ist eine Sache, ein 
Staatensystem aufzubauen, und es ist etwas ganz anderes, ihre 
Existenz zu gewährleisten. Wie im Leben des einzelnen, so ist 
auch in dem der Nationen die Langlebigkeit in der Regel das 
Ergebnis einer gesunden Konstitution, einer glücklichen Umgebung 
und eines klugen Betragens. Daß die neuen Staaten Europas die 
ersten zwei Voraussetzungen besessen haben, wird allen denen 
klar sein, welche sich erinnern, daß sie zusammengehören zu 
den großen Gliedern der Humanität. Aber ebenso brauchten sie 
Schutz gegen Intrigen eifersüchtiger Dynastien und die Droh 
ungen der Könige und Priester, welche oftmals vielversprechende 
Experimente zum Scheitern brachten. Es ist deswegen für unser 
gegenwärtiges Studium wesentlich, die Mittel zu beobachten, 
welche das europäische System mit Stabilität versehen haben, 
und hier müssen wir in erster Linie den Meisterbildner Bismarck 
ins Auge fassen; wie er alle seine Geisteskräfte auf die Vervoll 
kommnung von Deutschland konzentriert hatte, so hielt er auch 
die Kräfte zusammen für ihre Erhaltung. Für zwei Dekaden hat 
seine Politik den Kontinent wie ein Koloß beherrscht. Sie ruhte 
auf zwei Voraussetzungen, die eine war die Erhaltung des Bünd 
nisses mit Rußland, welches die Ereignisse der Jahre 1863 bis 
1870 innerhalb der Grenzen der Möglichkeit gezeigt hatte, und 
der andere Gedanke war die Isolierung Frankreichs. Unter 
stützende Momente beeinflußten ihn hier und da, so im Jahre 
1884, als er böses Blut zwischen Rußland und England in 
zentral-asiatischen Fragen zu machen suchte, oder alle die Kräfte 
in kolonialen Unternehmungen festzulegen. Aber diese Betrach
	        
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