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„Gestern waren beim König anwesend: die beiden Prinzen
nebst ihren Chefs und Quartiermerstern, Roon, Moltke, Alvens-
leben, Hindersin, Tresckow und Bismarck.
„Zunächst entwickelte der König in einem halbstündigen,
sehr klar und fließend vorgetragenen Expose höchst lichtvoll
die ganze politische Situation sowie die Stufenfolge der von ihm
getroffenen militärischen Dispositionen und wiederholte immer
wieder von neuem seine Bemühungen, den Krieg zu vermeiden.
Die wesentliche Frage sei nicht: ,Wie führen wir den Krieg? 4 ,
sondern: ,Wie erhalten wir den Frieden? 4 Sollte cs aber doch
zum Kriege kommen, so habe er den Kriegsplan des Generals
v. Moltke angenommen, den dieser nun kurz und knapp vortrug
und der zur Diskussion gestellt wurde. Dagegen sprach zunächst
Voigts-Rhetz, sehr lang, mehr um seine bekannte Animosität
gegen Moltke geltend zu machen, als um eigene Pläne vorzu
bringen. Die weite Aufstellung und die Teilung der Front durch
die Elbe sei zu tadeln, eine Konzentration bei Görlitz vorzich-
bar; da aber Seine Majestät mit Moltke einverstanden sei, so
sei er es auch. Roon deutete Aehnlichcs an, Alvensleben ent
wickelte es weiter, und die Diskussion wollte beginnen, da ergriff
Bismarck das Wort. Er sprach zunächst aus, daß Sachsen noch
gar nicht so entschieden feindlich sei; man könne es wohl noch
neutral halten oder zum Feinde treiben, je nachdem das mili
tärische Interesse dies wünschenswert mache. Ihm erschiene
Sachsen als Operationsbasis notwendig, auch dürfte es politisch
wichtig sein, im Falle des Erfolges an Sachsen einen berechtig
ten Gegenstand der Eroberung zu haben. Glaube man aber
vorteilhafter zu operieren, wenn man Sachsen ganz neutralisiere
und nur das Durchmarschsrecht auf der Linie Görlitz-Zittau in
Anspruch nehme, so erachte er dies für ganz erreichbar. Dabei
gab er Andeutungen, wie der Krieg entschieden die Arrondierung
Preußens herbeiführen müsse. Das veranlaßte den Kronprinzen
zu der Frage, ob die Absicht zu Annektierungen vorliege, das
habe er nicht erwartet. Der König antwortete sehr zornig, daß
überhaupt noch gar nicht von Krieg die Rede sei, noch viel
weniger von Absetzung deutscher Fürsten; er wolle den Frieden. 44