Full text: Europäischer Frieden

I. 
D ie deutsche Nation, so leitet Heinrich v. Treitschke sein 
großangelegtes Werk über deutsche Geschichte im 19. Jahr 
hundert ein, ist trotz ihrer alten Geschichte die jüngste unter 
den großen Völkern Westeuropas. Zweimal ward ihr ein Zeit 
alter der Jugend beschieden, zweimal der Kamp! um die Grund 
lagen staatlicher Macht und freier Gesittung. Sie schuf sich vor 
einem Jahrtausend das stolzeste Königtum der Germanen und 
mußte acht Jahrhunderte nachher den Bau ihres Staates auf 
völlig verändertem Boden von neuem beginnen, um erst in 
unseren Tagen als geeinte Macht wieder einzutreten in die Reihe 
der Völker. 
Der trotzige Individualismus, der im deutschen Wesen tief 
begründet liegt und lange nichts von einer straffen staatlichen 
Eingliederung wissen wollte, das ungewöhnlich große Maß von 
Empfindlichkeit der Deutschen für ausländische Vorzüge und 
Einflüsse und endlich der tief eingewurzelte Idealismus, der um 
geistiger Interessen willen stets bereit war, selbst die stärksten 
politischen und nationalen Forderungen zu übersehen, hat das 
bewirkt. 
Als die Germanenvölker in den Gesichtskreis der Geschichts 
schreibung traten, waren sie keine geschlossene Nation, sondern 
streng geschieden in einzelne Stämme, die sich nur unter dem 
Druck höchster Gefahr zusammenschlossen. Diesen Fehler haben 
die Deutschen bis in die neueste Zeit beibehalten und er war 
maßgebend für die Bildung ihrer Geschäfte während ihrer mehr 
als 2000jährigen Geschichte. 
Unter der Vorherrschaft der Franken und unter der Regie 
rung des großen fränkischen Herrschers Karl gelang zum ersten 
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