XI
immer nach außen betont, daß seine gewaltigen politischen
Erfolge eine Welt von Neidern hervorgerufen hatten und daß
deswegen nur mit ungemein großer Vorsicht die deutschen
politischen Geschäfte geführt werden möchten. Umso unbegreif
licher ist cs, daß ihr mit größter Seelenruhe habt geschehen
lassen, daß täppische Kinderhände an den Webstuhl des genialen
Meisters gelassen wurden und in die Möglichkeit kamen, das
feine Gewebe sehr bald in tollsten Wirrwarr zu bringen, daß
ein unerfahrener Regent alle seine wertvollen und erprobten
Ratgeber und Mitarbeiter beiseite schieben konnte, und daß
unglaublich ungeschickte und doktrinäre Hofpolitiker und Partei
leute eine Sache in die Hand nahmen, der sic nicht gewachsen
waren. Erst der Krieg hat euch das bestätigen müssen, vorher
habt ihr es nicht glauben wollen, ihr lieben, gutmütigen, dummen
Deutschen. Jetzt aber werdet ihr euch doch wohl darüber klar
sein, daß die Arbeit vollkommen von vorn angehen muß. Es
ist gerade so wie mit einem kostbaren Glaspokal, den ein Narr
auf den Boden schlägt, so daß er in tausend Teile zersplittert;
der läßt sich auch nicht wieder kitten, sondern an Stelle des
vernichteten edlen Stückes muß ein vollkommen neues geblasen
werden, so ist es mit dem Deutschen Reich. Ihr müßt jetzt
versuchen, auf vollkommen veränderter Grundlage einen neuen
Bau zustandezubringen.
Aus dem letzten Krieg ist euch eine große Aufgabe er
wachsen, in deren Erfüllung der volle Lohn auch für die Ströme
Blut liegen dürfte, die jetzt und bereits vor Jahrhunderten ver- ’
gossen wurden. Sie besteht in der Verwirklichung des Gedankens,
das kontinentale Europa in irgend einer Form zu vereinigen.
Europa müht sich vergeblich und wird nicht eher vom Waffen
lärm befreit werden, solange nicht eine Form politischer Union
gefunden worden ist, die es in sich eint und anderen Kontinenten
gegenüber stark macht. Diese Aufgabe fällt gerade euch Deutschen
mit zu, ihr habt sie zum Heile Europas mit zu erfüllen.
Ich habe den Eindruck, als ob ihr Deutsche euch über
eure wiedergewonnene Einheit und über euren Beruf ein nicht
ganz richtiges Geschichtsbild habt einprägen lassen, und ich will